Möglich, dass Vogelsang es hier mit der Bescheidenheit übertreibt. Das Ziel der beiden war es, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eine punktuelle Bestandsaufnahme im Alltag zu machen. Wie hat sich das alles entwickelt, wenn man mal hinter die Fassaden der spektakulären Grenzöffnung von 1989 schaut? Krol und Vogelsang treffen unter anderem eine Kellnerin, die bis zur Abwicklung einer Gaststätte dort arbeitete, einen „Grenzer“ und einen Bergmann. Das Wort „Abwicklung“ weist schon darauf hin, dass die Reise der beiden nicht zu einem Buch geführt hat, in dem alles eitel Freude ist. Nein, das Wende-Jahr 1989 war für viele Menschen auch der Wende-Punkt, nochmal von vorn anzufangen. Das war weit weniger banal, als es klingt.
Zweifellos ist Joachim Krol als „Frontmann“ eines solchen Projekts die Idealbesetzung. Der vielseitige Mann, der zuletzt in „Endlich Witwer“ via TV so wunderbar den griesgrämgen Grantler gab, zeigt auch hier seine Qualitäten. Lars Vogelsang als sehr zurückhaltend schreibender Journalist ergänzt ihn vorzüglich. Und ausgerechnet die befragte Kellnerin macht in diesem Buch klar, dass noch nicht alles zusammengewachsen ist, was zusammengehört, der euphorische Ruf Willy Brandts noch nicht in Erfüllung gegangen ist. Sie hatte offenbar auf eine Begegnung mit Horst Krause gehofft – mit dem Krol seinerzeit für „Wir können auch anders“ vor der Kamera stand …
Joachim Krol/Lucas Vogelsang: Was wollen die denn hier? Deutsche Grenzerfahrungen. Rowohlt Verlag; 20 Euro.