Musik-Tipp – ABBA: Voyage

„Just a notion, that’s all…“ – nur kurz Notiz davon nehmen, Punkt. So hätte es ABBA mit ihrem Album „Voyage“ ergehen können. Immerhin sind seit ihrer letzten Single knapp 40 Jahre vergangen, die vier Schwed*inn*en haben alle die 70 überschritten. Da kann eine neue Veröffentlichung schon mal gründlich daneben gehen, können die Stimmen nicht mehr halten, was der Bandname einmal versprach, nicht zuletzt ist die Musik von heute eine andere als anno 1982. Und alle, wirklich alle Fans aus den Siebzigern und frühen Achtzigern sind längst Eltern und Großeltern oder könnten es sein.

Wie wunderbar, dass all diese „Daneben“-Szenarien im Konjunktiv bleiben! Denn „Voyage“ ist ganz auf der Höhe der Zeit, Agnetha, Frida, Benny und Börn sind musikalisch auf der Höhe. Die erste der drei Vorab-Veröffentlichungen „I Still Have Faith In You“ steht in der Tradition der großen Balladen, ist inhaltlich der positive Gegenpart zum seinerzeit sehr melancholischen „The Winner Takes It All“, „Don’t Shut Me Down“ strahlt einen Optimismus aus, der gerade jetzt sehr willkommen ist, „Just A Notion“ klingt geradezu beneidenswert gelassen. Wie „When You Danced With Me“. Die Erinnerung an eine schöne, aber nicht so schön geendete Love Story beurteilt man im Rückblick nach Jahrzehnten halt milder als im Moment, da man’s erlebt.

Gelassenheit, Heiterkeit, auch bei nicht so schönen Erinnerungen, das alles hat seinen Grund: Björn und Benny haben die Songs aus der Lebenssituation aller vier Mitglieder heraus geschrieben, ganz offensichtlich. Da geht es darum, in „späteren Jahren“ Pläne zu haben, die auch umzusetzen, sich nicht ausbremsen zu lassen, ein Flirt darf ein Flirt bleiben und muss nicht in einer Love Story oder einem Liebesdrama enden. Und wo eine gegenseitige Wertschätzung über Jahr(zehnt)e gewachsen ist, schätzt man eben diese mehr denn je: I Still Have Faith In You. Die Vier, die einmal zwei Ehepaare bildeten, hatten sich seinerzeit privat nicht ohne Probleme getrennt. Aus, vorbei. Heute sind sie einfach gute Freunde, die sich nichts mehr beweisen müssen. Sagen sie, und man glaubt’s ihnen.

Weise Texte, musikalisch ein Rundgang durch die Jahre von „Ring Ring“ bis „The Visitors“ – das wird sicher auch vielen Hörer*inn*en gefallen, die zu jung sind, um die „Abbamania“ von damals noch erlebt zu haben. „Little Things“, eine ganz klassische Ballade, „No Doubt About It“, ein wenig an „Take A Chance On Me“ erinnernd, aber deutlich komplexer, die „Ode To Freedom“ als angemessen feierlicher Abschluss – da findet jede(r) den ganz persönlichen Lieblingstrack! Auch jene, die zu jung sind, um die „Abbamania“ der Siebziger miterlebt zu haben.

Offiziell hatte die Band sich seinerzeit ja nie aufgelöst. „Voyage“ allerdings soll das finale Album bleiben. Da sind sich die Vier einig und haben ihren Rückzug ins Private angekündigt.

ABBA: Voyage (Polar/Universal)

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