Woran liegt’s? Bestimmt nicht an spektakulären Action-Effekten. Im Gegenteil: Kommissar Keller, von seinen Mit-Ermittlern respektvoll „Chef“ genannt und gesiezt, während er seinerseits duzte, ging an alle Fälle sehr bedächtig heran. Und letztlich trog ihn seine Intuition nie. Egal, ob zuvor Indizien auf Täterin oder Täter hingewiesen hatten oder falsche Fährten zu entlarven waren. Und es ging immer um einen aufzuklärenden Todesfall. Für Erik Ode war die Rolle wie maßgeschneidert. Der heutige Krimi-Boom geht zum großen Teil auf die Serie zurück.
Von 1969 bis 1976 war die Serie in 97 Folgen ein „Straßenfeger“. Nahezu alle, die in der Zeit einen guten Namen im Film oder am Theater hatten, konnten für Gastrollen gewonnen werden, manche sogar mehrfach: So gab Horst Frank öfter den Täter, Maria Schell einmal die Delinquentin (als Gegenentwurf zu ihrem „Seelchen“-Image), während Rudolf Platte als vergeistigter Gymnasiallehrer durch Suizid zu Tode kam. Um nur einige Beispiele zu nennen. Als Regisseure gaben u. a. Helmut Käutner und Wolfgang Staudte Gastspiele. Klar, das schrammte inhaltlich manchmal schon haarscharf am Trivialen vorbei. Und doch: Bis heute sind die Folgen (konsequent in Schwarz-Weiß) Musterbeispiele dafür, wie man ohne Effekthscherei ein Höchstmaß an Spannung über 60 Minuten aufrecht halten kann.
„Der Kommissar“ kam außerdem zu einer Zeit, in der bürgerliche Werte auf die Befreiungswünsche der 68er-Generation prallten. Diesen Konflikt zeigten u. a. Martin Held, Hellmut Lange, Johanna von Koczian und Thomas Fritsch. Kommissar Keller beobachtete das mit zurückhaltender, aber deutlicher Kritik: Was „neu“ war, konnte gut sein. Musste aber nicht. Über das Leben von Chef und Team (Reinhard Glemnitz, Günther Schramm, Fritz bzw. Elmar Wepper) erfuhr man über Jahre hinweg übrigens nur wenig. Ob die nun konservativ oder progressiv tickten, war für ihre Arbeit ja auch nicht wichtig.
Und gleich zwei Mal war die Serie auch für Charterfolge von Songs verantwortlich „Du lebst in deiner Welt“ war ursprünglich nur als Teil des Soundtracks der Folge „Als die Blumen Trauer trugen“ vorgesehen. Die Zuschauerresonanz erst führte dazu, dass das Lied als Schallplatte veröffentlicht wurde. Man machte aus der Duisburgerin Evelyn van Ophuisen Daisy Door, und die landete einen großen Erfolg. Ein One-Hit-Wonder, aber immerhin ein solches. Das melancholische „I’d Love You To Want Me“ des Kanadiers Lobo wiederum war bereits mit mäßigem Erfolg am Markt und wurde erst durch eine Serienfolge mit Verspätung zum großen Hit.
Die meisten der Schauspieler von damals sind bereits verstorben oder schon lange im Ruhestand. Mindestens eine Ausnahme ist aber auch jüngeren TV-Zuschauern bekannt: Der bereits erwähnte Fritz Wepper als Harry Klein gelangte hier zu erster Berühmtheit, bis er den Serienabschied nahm und zum zeitweilig parallel laufenden „Derrick“ als Assistent wechselte. Aktuell ist Wepper u. a. regelmäßig zu sehen als mit allen Wassern gewaschener Bürgermeister in „Um Himmels Willen“. Auch dem Ermitteln ist er lange treu geblieben – als Psychiater Dr. Wendelin Winter in „Mord in bester Gesellschaft“.
Autofans übrigens mögen die Serie mit ein wenig Neid konsumiert haben: Der Chef wurde natürlich von einem der Assistenten meist chauffiert. Viel sensationeller: Die Dienstwagen hatten Autotelefone. Zu einer Zeit, da in vielen deutschen Haushalten noch nicht mal ein Festnetztelefon vorhanden war…
Die Serie ist als DVD-Komplettbox erhältlich.
„Der Kommissar“ im Internet: www.kommissar-keller.de