Er hat in seinen Büchern medizinischen Laien erklärt, was es mit Migräne auf sich hat. Als er beim Wandern verunglückte, machte er aus dieser Erfahrung eines seiner zahlreichen Bücher: „Der Tag, an dem mein Bein fortging“. Andere hießen etwa „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, „Onkel Wolfram“ und „Zeit des Erwachens“.
Fallgeschichten, so heißt es oft, hätten zum Weltruhm des Neurologen Oliver Sacks als Autor beigetragen. Tatsächlich aber hat er nie nur medizinische Fälle, sondern immer den ganzen Menschen gesehen. Ein Ganzheitsarzt. Keiner, der nach der Devise arbeitete: Hier die medizinische Norm, da die Abweichung davon als Erkrankung, und bringt man beides wieder zusammen, ist die Erkrankung weg.
Sich selbst hat Oliver Sacks lange nicht als Person von öffentlichem Interesse gesehen. Lawrence Weschler hat ihn aber so gut kennen lernen dürfen, dass der ein Porträt über Sacks schreiben konnte. Es ergänzt, aus anderer Perspektive, was Sacks selbst noch in „On The Move – Mein Leben“ preisgab, jenem Buch, das er kurz vor seinem Tod erst fertigstellte.
Begeisterter Schwimmer, Wanderer, leidenschaftlicher Motorradfahrer, mit dem Talent zur Freundschaft ebenso ausgestattet wie mit einer guten Portion Exzentrik im guten Sinne. Ein Mensch, der als Mediziner mit den Jahren sein umfangreiches Wissen um Erfahrung ergänzte. Man versteht nach der Lektüre von Weschlers Porträt, warum Oliver Sacks das Vertrauen seiner Patienten ebenso besaß wie die über den Beruf hinaus einfach viele Sympathien. Und das, obwohl er es auch verstand, Distanz zu halten. Nicht zuletzt diese Balance, zwischen Distanz und Nähe, macht den besonders guten Arzt aus.
Lawrence Weschler: Oliver Sacks. Ein persönliches Porträt. Rowohlt Verlag;25 Euro. (e-Book: 19,99 Euro)