Klare Antwort: Ja. Die das Buch geschrieben hat, hat sich freilich auch ein besonders heikles Kapitel der Medizin als Fachgebiet ausgesucht. Yael Adler ist Hautärztin mit eigener Praxis. Bekannt geworden ist sie aber auch als Autorin zweier Bücher, von denen sich eines („Darüber spricht man nicht!“) den besonders diffizilen Medizinthemen widmet. Schmerzhafte Warzen als Andenken an den Schwimmbadbesuch, Pickel, die längst nicht nur Heranwachsende ärgern, eine falsch gepflegte Haut, die sich für die Fehler mit Jucken und Brennen revanchiert – solche Anliegen sind sicher sehr speziell. Aber auch, wenn man „nur“ wegen eines ganz und gar nicht speziellen Schnupfens, der bloß einfach nicht verschwinden will, beim Arzt vorspricht: Es ist schon erstaunlich, wie viel beide Seiten zum Gelingen, aber auch zum Scheitern beitragen können. Egal, worum es da inhaltlich geht.
Die Beziehung zwishen Arzt und Patient ist eine eher unfreiwillige, zumeist jedenfalls für den Patienten. Er geht zum Arzt, weil er eine Diagnose und Behandlung braucht, nicht auf einen Kaffee oder eine Runde Doppelkopf. Klingt banal, ist es aber nicht. Nicht-Zuhören, schroffes Anblaffen – was die Ärztin in diversen Notaufnahmen erlebt hat, als Studentin etwa, macht beim Lesen fassungslos. Und noch als Fachärztin musste sie selbst sich doch als „hysterisch“ titulieren lassen, weil sie einen Patienten als Notfall direkt aus der Praxis in die Klinik überwies. Den Patienten ernst nehmen und sich daran erinnern, dass der nicht „zum Spaß“ ist, wo er ist – schon ist der erste Schritt zur Verbesserung der Beziehung getan. Hier nimmt Yael Adler übrigens auch die Medizinerausbildung kritisch in den Blick: Auf einen strengen Numerus clausus fixiert beim Abiturdurchschnitt, die ersten Semester ein reines Anpauken von Theorie … das Erlernen von Kommunikation wird in einem solchen System fälschlich als wenig wichtig erachtet.
Kommunikativ talentierter Arzt = zufriedener Patient? Nicht ganz. Auch diejenigen, die den Rat der Mediziner suchen, können zur Nervenprobe werden. Wer zu einem Termin ohne Absage nicht kommt (und das vielleicht wiederholt), wer jede Therapie ablehnt, und wird diese noch so gut erklärt – der muss schon mal damit rechnen, dass Frau oder Herr Doktor irgendwann eine Weiterbehandlung ablehnen. Sie haben schlicht alles versucht. Ebenfalls kontraproduktiv: Entscheidendes zu verschweigen, Angst vor Injektionen etwa oder sprichwörtlich „kein Blut sehen zu können“, auch nicht das eigene, wenn’s zu Untersuchungszwecken abgenommen wird. Und wenn man sich von einer Behandlung Nebeneffekte verspricht, die per se tabu sind, müssen auch Arzt oder Ärztin klare Grenzen ziehen. Skurril wird das, wenn ein männlicher Patient die Gleichberechtigung nicht so wirklich akzeptieren will. Traurig wird es, wenn Menschen einen Arztbesuch planen, ohne Beschwerden zu benennen – sie sind schlichtweg einsam und suchen Kontakt. Auch da weist Ärztin Adler auf ein gerne tabuisiertes Thema hin und beweist einmal mehr ihre Fähigkeit, über den Tellerrand des eigenen Fachgebietes zu schauen.
Fazit: Ein Ratgeber, der tatsächlich zum Gelingen einer schwierigen menschlichen Beziehung beitragen kann. Und: Wie schon in ihren ersten zwei Büchern hat Yael Adler auch diesmal ein paar Erfahrungen aus der Praxis parat, die man kaum ohne lautes Lachen lesen kann. Und: Wer tatsächlich noch nie einen Arzt gebraucht hat, kann dieses Buch auch mit Gewinn lesen. Es ist die ideale Vorbereitung auf den ersten Besuch in Praxis oder Ambulanz – der irgendwann sicherlich notwendig wird.
Dr. med. Yael Adler: Wir müssen reden, Frau Doktor! Wie Ärzte ticken und was Patienten brauchen. Droemer Verlag; 18 Euro. e-Book: 14,99 Euro.