Lamborghini: 30 Jahre Diablo

Wem ein Ferrari zu gewöhnlich erscheint, der kauft einen furiosen automobilen Kampfstier aus der Zucht von Lamborghini. Extrem stark und kostspielig, aber auch kapriziös, führten Miura und Countach die feine Manufaktur durch krisenhafte Jahre. Bis 1990 der teuflisch schnelle und erfolgreiche Diablo alle Krisen vergessen ließ.

Vor 30 Jahren ließ er zum ersten Mal die „Tore zum Himmel“ weit aufschwingen. Tatsächlich fühlten sich manche Fachleute an die gefährlichen Hörner des namensgebenden Kampfstieres erinnert, als der Lamborghini Diablo bei seiner Premierenparty einzigartig konturierte Scherentüren aufstieß. Aufgeladen mit noch unbändigerer Kraft als sein legendärer Vorgänger Countach und dazu ausgestattet mit einer von italienischen Supercars bis dahin unbekannten Zuverlässigkeit, führte der neue Lamborghini Diablo die Vmax-Manufaktur in Sant’Agata Bolognese 1990 kurzeitig aus krisenhaften Zeiten zu gewinnbringenden Zielen.

Den inoffiziellen Titel „schnellster Seriensportwagen der Welt“ wollten damals viele tragen, neben Ferrari auch Porsche sowie Jaguar, aber auch Bugatti bereitete sich vor, neue Speed-Schallmauern zu brechen ohne Rücksicht auf die Kosten. Anders der Diablo. Ein verlustbringendes Engagement war für den neuen Lamborghini-Eigner Chrysler tabu. Und so setzte der Diablo nicht nur mit 325,2 km/h einen frischen Bestwert für Straßensportler, er avancierte mit 2.899 verkauften Einheiten auch zu einem Bestseller im Club der schnellsten Fahrmaschinen, scharfe Stiche gegen Maranello inklusive. Die letzten Diablo entstanden unter Audi-Führung, denn die V12-Faszination des Ferrari-Herausforderers war unwiderstehlich – auch für den damaligen VW-Konzernchef und Markensammler Ferdinand Piech.

Ultraflach (1,10 Meter), extrabreit (2,04 Meter ohne Spiegel) und dazu mit sensationell großem Radstand (2,65 Meter) präsentierte sich der Diablo schon optisch als extremste Straßenflunder unter den vielen brutal schnellen Tempo-Bolzern jener Ära. Darin glich der Diablo – den optional zusätzlich ein aufwendiger Vierradantrieb auszeichnete – seinem sagenumwobenen vierbeinigen Namenspaten aus dem 19. Jahrhundert. Jener muskelbepackte, hitzige und agile spanische Bulle aus der Zucht eines Nachkommens des Neue-Welt-Entdeckers Christoph Kolumbus hatte es vorgemacht: In einer dramatischen Corrida demonstrierte er dem Stierkämpfer-As El Chicorro, wer der Chef in der Arena ist. Ähnlich lehrte der Lamborghini Diablo alle Rivalen das Fürchten. Und zwar nachdrücklicher als dies seinem spektakulären Vorgänger Countach je gelungen war.

Manchmal erweisen sich krisenhafte Zeiten als Innovationsbeschleuniger. Im Jahr 1981 schien die Zukunft für die Marke im Zeichen des Stiers tiefschwarz. Der von Marcello Gandini als radikaler V12-Keil inszenierte Countach ging schon in sein zweites Lebensjahrzehnt, aber ein Nachfolger war kaum vorstellbar, denn das Unternehmen ging in die Insolvenz, so wie damals zahlreiche Sportwagenbauer. Dann der Glücksfall: Die Kaufleute Jean-Claude und Patrick Mimran übernahmen die Konkursmasse, und als echte Sportwagenenthusiasten engagierten sie als Sofortmaßnahme Giulio Alfieri, den genialen Konstrukteur zahlloser Maserati Sportwagen. Alfieri war es auch, der die Technik des ab 1985 entwickelten Lamborghini P 132 verantwortete, während Marcello Gandini diesen Countach-Nachfolger so dramatisch keilförmig zeichnete, dass jeder damalige Ferrari vergleichsweise brav wirkte.

Der P 132 debütierte 1986 und die Konstrukteure fragten sich schon, welchen Serien-Namen der designierte Ferrari-Killer tragen würde, da wurde Lamborghini vom nächsten Erdbeben erschüttert: Unter Führung von Lee Iacocca, berühmt geworden als Erfinder des Ford Mustang, kaufte US-Gigant Chrysler den automobilen Stierzuchtbetrieb in Sant’Agata Bolognese. Iacooca ließ das Design des P 132 so lange weichspülen, bis es endlich die amerikanischen Geschmacksnerven berührte und dann enthüllte er den Diablo gemeinsam mit dem Dodge Stealth für zahlungskräftige Kunden in den USA. Dort beeindruckte der Diablo mehr als der 324 km/h rasante Ferrari F40, das rasch ausverkaufte Hightechgerät Porsche 959 oder die angekündigten Renner Jaguar XJ 220 und Bugatti EB110. Euphorisierende Begeisterung beiderseits des Atlantiks hatte bereits die Topspeed von 337 km/h entfacht, mit der Lambo-Prototypen in Nardo reüssierten, aber auch die für das Serienmodell kommunizierten 325 km/h genügten für den Titel des Vmax-Königs. Dieses Tempo ließen sich speedsüchtige Kunden nur zu bereitwillig rund 400.000 Mark kosten, gut ein Drittel mehr als Lamborghini für die letzten Countach aufgerufen hatte.

Es sollte aber noch besser für Lamborghini kommen, denn als erster italienischer V12 wurde der Diablo von Motorjournalisten als zuverlässiger Langstreckenjäger gefeiert. Wie zuvor nur der Porsche 959 blieb der perfekt ausbalancierte Lambo – vor allem als optionale Allradversion VT – in Bereichen oberhalb 300 km/h ruhig auf Kurs und das sogar in sanft geschwungenen Kurven oder bei leichtem Seitenwind. Was für eine Überraschung nach vielen automobilen Papiertigern, die im Prospekt Fabelwerte verkündeten, vielleicht in der Hoffnung, dass diese auf der Straße ohnehin nicht verifiziert würden. Übrigens hatten auch die Leistungsangaben für den Lamborghini Countach mehrfach Anlass für Diskussionen geboten. Nun aber pulverisierte der Diablo alle Frusterlebnisse, zumal er noch standfest blieb, wenn manch anderer Tempobolzer durch thermische Defekte längst liegengeblieben wäre. So machte der zuverlässige Diablo einen neuen Vertriebsweg frei, den später auch der Bugatti EB110 nutzte: als alltagsrobuste Rennmaschine mit erstaunlich viel Komfort für gutverdienende Geschäftsleute. Ein teuflisch teurer Lambo als 362 kW/492 PS starker Firmenwagen, daran mussten sich Finanzbehörden allerdings erst gewöhnen.

Die Verkaufszahlen des Diablo übertrafen also anfangs alle Erwartungen und Lee Iacocca sonnte sich nach Mustang und Chrysler-Sanierung in einem neuen tierisch erfolgreichen Revival-Programm, das bald Sonderserien wie den 333 km/h flotten Diablo SE, dann den Diablo Roadster als schnellstes Cabrio der Welt sowie 1996 den Diablo SV-R für Motorsporteinsätze umfasste. Lamborghini wollte Ferrari auch mit Rennresultaten demütigen, wenngleich zunächst mit Kundenprogrammen. Es war ein weiterer Nadelstich, nach dem im Vorjahr der 427 kW/580 PS abgebende Diablo Jota eine adrenalinhaltige Antwort auf den Ferrari F50 gefunden hatte. Da hatte Chrysler die Marke mit dem Kampfstier allerdings bereits weiter verkauft an ein fernöstliches Finanzkonsortium. Die globale Rezession von 1992/93 bremste das Luxusautogeschäft und die Amerikaner trennten sich von Verlustbringern. Das neue Eignerkonsortium schob zwar die Entwicklung eines Diablo-Nachfolgers an, aber dann bescherte die Asienkrise 1997 die nächste Hiobsbotschaft. Entsprechend rasch konnte Audi 1998 die Übernahme der Kultmarke melden und den betagten Diablo mit einem 6,0-Liter-V12 aufrüsten. 338 km/h Vmax standen bei diesem GT an, 18 km/h mehr als der 550 Maranello als flottester Ferrari bieten konnte. Tatsächlich waren die finalen Diablo vielleicht die allerbesten und das, obwohl der für 2001 vorgesehene Murciélago schon mit den scharfen Hufen scharrte.

Fotos: Lamborghini

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