Die Zuschauerzahlen des ESC hätten heuer noch beeindruckender ausfallen können. Aber: Der aktuellen Situation wegen bleibt diese Überlegung reine Theorie, denn der Wettbewerb wurde erstmals seit seiner Austragung abgesagt. Das vorgesehene Motto „Open Up“ wirkt wie tragische Ironie, weil das genaue Gegenteil nötig wurde. Immerhin gab es zwei Alternativ-Shows, von denen der „Free ESC“ die spannendere war – mit Nico Santos, der den Sieg kurz nach Veröffentlichung eines eigenen Albums verdient davontrug (KÜS Newsroom 17. Mai 2020).
Wer hören will, was im „echten“ ESC gelaufen wäre, muss sich an diese CD halten. Zu hören ist etwa der isländische Beitrag mit einem geradezu philosophischen Thema. Im Internet gingen die Klicks schon durch die Decke, als die Wettbewerbs-Absage noch optional im Raum stand. Aksel Kankaanranta ist 21 und in seiner Heimat schon ein Top-Star. Als Vertreter Finnlands hätte er es auch europaweit werden können. Wie ernst die Suche nach einem wettbewerbsfähigen Beitrag mittlerweile genommen wird, zeigt ausgerechnet Frankreich: Der Schwede Thomas Gustafsson (kurz G:son), der Loreen ihren Siegertitel „Euphoria“ geschrieben hatte, steht auch hinter Tom Leeb. „Mon Alliée (The Best in Me)“ wäre zweisprachig ins Rennen um die Punkte gegangen. So ganz mochte die Grande Nation dann doch nicht auf die Muttersprache verzichten., sich aber auch nicht – wie bisher so oft – auf die eigene Chanson-Tradition verlassen. Auch ein Kandidat für die Top Ten – wobei natürlich, wie jedes Jahr, erst einmal ein Halbfinale zu überstehen gewesen wäre. Ben Dolic, ohne Publikumsabstimmung für Deutschland als Teilnehmer gekürt, erntete im Vorfeld mit „Violent Thing“ Zustimmung wie zuletzt allenfalls Lena. Und die siegte ja mit „Satellite“ haushoch – was auch schon wieder zehn Jahre her ist.
Fazit: Ersatz ist eben nur Ersatz, mag er auch spannend gestaltet werden. Es heißt also: Warten auf 2021. Die für 2020 Nominierten dürfen dann wieder ran, dann allerdings mit neuen Songs. So wollen es die ESC-Regeln. Bei den Niederlanden als Gastgeber wird’s hingegen bleiben, Duncan Lawrences 2019er Sieg für Oranje sei Dank. Das Tribute-Album bewahrt eine Menge Songs, die unter realen Bedingungen besonders viel Spannung versprochen hätten. Und einen ESC-Jahrgang deutlich über dem Niveau mancher Vorjahre.
CD 1: 1 Fall From The Sky / Arilena Ara / Albania 2 Chains On You / Athena Manoukian / Armenia 3 Alive / Vincent Bueno / Austria 4 Don’t Break Me / Montaigne / Australia 5 Cleopatra / Efendi / Azerbaijan 6 Release Me / Hooverphonic / Belgium 7 Tears Getting Sober / VICTORIA / Bulgaria 8 Da Vidna / VAL / Belarus 9 Répondez-moi / Gjon’s Tears / Switzerland 10 Running / Sandro / Cyprus 11 Kemama / Benny Cristo Czech Republic 12 Violent Thing / Ben Dolic / Germany 13 YES / Ben & Tan / Denmark 14 What Love Is / Uku Suviste / Estonia 15 Universo / Blas Cantó / Spain 16 Looking Back / Aksel / Finland 17 The Best in Me / Tom Leeb / France 18 My Last Breath / James Newman / United Kingdom 19 Take Me As I Am / Tornike Kipiani / Georgia 20 SUPERG!RL / Stefana / Greece 21 Divlji vjetre / Damir Kedžo / Croatia /
CD 2: 1 Story Of My Life / Lesley Roy / Ireland 2 Feker Libi / Eden Alene / Israel 3 Think About Things / Daði Freyr / Iceland 4 Fai Rumore / Diodato / Italy 5 On Fire / The Roop / Lithuania 6 Still Breathing / Samanta Tina / Latvia 7 Prison / Natalia Gordienko / MoldovaYou / 8 Vasil / North Macedonia 9 All Of My Love / Destiny / Malta 10 Grow / Jeangu Macrooy / The Netherlands 11 Attention / Ulrikke / Norway 12 Empires / Alicja / Poland 13 Medo De Sentir / Elisa / Portugal 14 Alcohol You / Roxen / Romania 15 Hasta La Vista / Hurricane / Serbia 16 Uno / Little Big / Russia 17 Move / The Mamas / Sweden 18 Voda / Ana Soklic / Slovenia 19 Freaky! / Senhit / San Marino 20 Solovey / Go_A / Ukraine
CD-Tipp: Eurovision 2020 – A Tribute To The Artists And Songs. (PolyStar)