Buchtipp – Geißendörfer/Mahnert: Lindenstraße. Die Chronik

12 (sicherheitshalber nochmal in Worten: zwölf) Millionen Zuschauer bei einer einzigen Folge im Sonntags-TV, montags darauf bundesweit heftige Diskussionen darüber, Morddrohungen und Polizeischutz für Darsteller. Szenen aus einem Action-Drehbuch? Nein, zeitweilige Wirklichkeit in den ersten Jahren der „Lindenstraße“.

Den Alltag von Familien wollte er zeigen, am Beispiel eines unspektakulären Mietshauses in einer unspektakulären Region von München. Auch politische Inhalte sollten behandelt werden: Dafür sicherte Regisseur Hans W. Geißendörfer in den Folgen (die ja im Voraus gedreht werden mussten) immer noch die Möglichkeit, letzte Sequenzen kurz vor Ausstrahlung einzubauen. Da konnte schon mal die just laufende Bundestagswahl für Diskussionen in Haus Nummer 3 sorgen.

Als die erste Folge ausgestrahlt wurde, am 8. Dezember 1985, war Helmut Kohl gerade mal drei Jahre als Bundeskanzler im Amt. Das Privatfernsehen war noch in seinen Anfängen, die deutsch-deutsche Wiedervereinigung noch ein Stück weit entfernt.

Heute, exakt um 19.20 Uhr, endet die „Lindenstraße“, die als Serie längst Kult geworden ist. Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich in fast 35 Jahren erkennbar geändert: Vieles, was für „Zündstoff“ unter den Zuschauern sorgte, ist längst selbstverständlich – Patchwork-Familien, Umweltbewusstsein, gerne auch mit Sendungsbewusstsein gepaart, Reibereien zwischen Generationen…anderes taugt bis heute wiederum nicht zur Nachahmung, etwa die Lösung eines Problems in der Partnerschaft mittels Geflügelschere. Aber dergleichen ist ja unabhängig von der Gesellschaftsform…

Was in den ersten Serien-Jahren noch die Regel war, kann heute als Resonanz gar nicht mehr erreicht werden: TV-Kanäle stehen in dreistelliger Zahl zur Auswahl, viele Sensationen von damals würden heute mit einem Achselzucken quittiert oder andernorts noch spektakulärer dargestellt.

So kam das Ende, 2018 angekündigt für März 2020, nicht überraschend. Geschichte geschrieben hat die „Lindenstraße“ allemal. Wie sehr, das dokumentiert diese Chronik. Sie zeigt nicht nur reichlich Bildmaterial, es gibt auch alle Folgen in Kurzform zum Nachlesen. Nicht zuletzt bietet der Blick hinter die Kulissen einen Eindruck davon, wie viel Arbeit (ja, und auch finanzieller Aufwand) da investiert werden musste. Und natürlich das Herzblut der Schauspieler, von denen manche (Til Schweiger, Ulrike C. Tscharre, Martin Armknecht, um nur drei zu nennen) Köln-Bocklemünd ein Karriere-Sprungbrett in andere Richtungen war. Denn dort wurde gedreht – München war nur der fiktive Schauplatz.

Nun also heißt es „Auf Wiedersehen“ – heute Abend, aber anschließend in dieser Chronik – und natürlich auf DVD.

Hans W. und Hana Geißendörfer/Steven Mahner: Lindenstraße. Die Chronik. Verlag Kettler; 95 Euro.

Erhältlich im Buchhandel und (auch derzeit) bei entsprechenden Online-Anbietern sowie versandkostenfrei über den Online-Shop des Verlags: www.verlag-kettler.de

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