CD-Tipp – Diverse: Hit Giganten – NDW

Es ist ja wahr: Auf ihr sind etliche Sternchen hochgeschwappt und wenig später doch sang- und klanglos verschwunden. Das darf man wörtlich nehmen, denn die „Neue Deutsche Welle“ sorgte zunächst für ganz neue Klänge. Und dem bis dahin sehr erfolgreichen klassischen Schlager bescherte sie empfindliche Umsatz- und Quoteneinbußen.

Aber das mit den Sternchen ist eben nur ein Teil der Wahrheit. Das macht diese frisch erschienene Zusammenstellung deutlich. Nicht wenige NDW-Titel sind tatsächlich echte Evergreens und bis heute in ihrem Inhalt aktuell.

Geier Sturzflug zum Beispiel mit ihrem „Bruttosozialprodukt“ – eine Satire auf die damals noch junge Regierungskoalition, die unter Helmut Kohl die „geistig-moralische Wende“ propagiert hatte und an den Leistungswillen des Wahlvolks appellierte. Und dank Spliff (über den Bandnamen und seine Bedeutung schweigen wir mal) wusste irgendwann nahezu jede(r), was Spaghetti Carbonara sind – und vor allem: wie delikat. Dass die Band aus der Begleitung von Nina Hagen hervorging, wurde bald unwichtig. Spliff eroberten auch ohne Nina ihr Publikum. Und Frontmann Herwig Mitteregger ist bis heute rührig. Und für Joachim Witt ging es nach „Goldener Reiter“ noch über Jahrzehnte erfolgreich weiter.

Wenn ein Sampler auf Material von vor rund 40 Jahren zurückgreift, bewahrt er bisweilen auch Künstler davor, vergessen zu werden. Erinnert sich noch jemand an Willem? Der hieß bürgerlich Wilken F. Dincklage, machte sich als Rundfunkmoderator rasch einen Namen als Spaßvogel (so lieferte er bei der Ansage von Eric Claptons „Lay Down Sally“ eine Art Nachhilfeminute in Englisch, indem er den Titel gleich mit übersetzte). Und das in Zeiten, da öffentlich-rechtliche Sender Flapsigkeit allenfalls in sehr geringer Dosis tolerierten. Mit „Tarzan ist wieder da“ gelang ihm 1977 ein Top-Hit als Sänger, die plattdeutsche Verballhornung des Hits „Wot“ (auch hier eine recht unkomplizierte Übersetzung: „Wat?“ des Originals von Captain Sensible) brachte ihn erneut in die Charts. 1994 starb er, erst 52-jährig.

Fazit: Hier kann man die NDW neu- oder überhaupt erst entdecken. Sie ist aktuell, auch wenn manche Kritiker das anders sehen. Und sie begeistert druchaus verschiedene Altersklassen! Das vielleicht beste Beispiel liefern ausgerechnet hessische Musiker: Sie machten die Stadt Rodgau ähnlich bekannt wie Spliff die zitierten Nudeln. Volkslied-Charakter haben die „Rodgau Monotones“ mit „Die Hesse komme“ allerdings durch diese eine Liedzeile erreicht: „Unser David Bowie heißt Heinz Schenk“.

Diverse: Hit-Giganten – NDW (Sony)

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