Buchtipp – Keun: Ich lebe in einem wilden Wirbel

Wer kennt nicht die Idee vom Schriftsteller als brotlosem Künstler, den der Maler Carl Spitzweg ja sogar als „Der arme Poet“ bildlich verewigt hat? Kunst mag ja schön und gut sein, aber was hat mit dem wirklichen Leben zu tun, wovon im Studierzimmer geschrieben wird?

Irmgard Keun taugte nicht für ein solches Studierzimmer, ihr Stil war frisch und frech, sie selbst schöpfte im Leben aus dem Vollen. Zunächst. Der Nationalsozialismus beendete ihre Karriere abrupt. Als sie wiederentdeckt wurde, mit ihren Werken und als Mensch hinter den Werken, war sie schon alt – und schwer krank. Und wer nach ihrem Tode 1982 das Leben von Irmgard Keun rekonstruieren wollte, stand unversehens vor einem unerwarteten Problem: Die Schriftstellerin hatte ihr Leben nach außen hin oft genug „frisiert“, so dass manchmal kaum zu unterscheiden war: Was ist real, was gehört ins Reich der Phantasie? Dass die 1905 Geborene sich lebenslang um fünf Jahre jünger gemacht und ihr Geburtsjahr mit 1910 angegeben hatte, war wohl noch das geringste Problem für die Forschung…

Erst vor wenigen Jahren sind Briefe aufgetaucht, von Irmgard Keun zwischen 1933 und 1947 an den emigrierten Arzt Arnold Strauss geschrieben. So pointiert, klar und leicht zu lesen sie sich in ihrem Werk („Gilgi, eine von uns“, „Das kunstseidene Mädchen“) gibt, so hat sie auch diese privaten Dokumente geschrieben. Sie geben einen Einblick in einen ganz realen Alltag mit zahlreichen Schwierigkeiten, auch ihre weniger charmanten Charaktereigenschaften leugnet sie nicht. Ein Buch aus einem wirklich verwirbelten Leben, dessen größte Tragik die Autorin – ungeachtet von Egozentrik, verschwenderischem Lebensstil und auch dem Hang zu Hochprozentigem – nicht selbst verursacht hat.

Irmgard Keun: Ich lebe in einem wilden Wirbel. Briefe an Arnold Strauss 1933-1947. Herausgeberinnen: Gabriele Kreis und Marjory S. Strauss. Ullstein Verlag; 13 Euro.

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