Ute ist eine Frau, die mitten im Leben steht, nicht miesepetrig, nicht frustriert. Nur mit Weihnachten hat sie ein echtes Trauma, seit sie als Kind den Weihnachtsmann als unecht erkannte. Denn der da vor ihr stand, hatte eindeutig einen angeklebten Bart, keinen echten. Ute enttarnte den „Betrug“ – und erntete Schelte statt Lob. Das war’s mit der (Vor)weihnachtsfreude. Für Jahrzehnte.
Und dann steht, an einem von Utes traditionellen Nicht-Weihnachten, das Christkind höchstpersönlich vor der Tür. Und findet in Ute eine Leidensgenossin. Ihm geht es gewaltig auf den Zeiger, dass das Christfest mehr und mehr den Charakter einer „Aktion Geschenkeberge“ angenommen hat. Geschenke, die mit Geld zu kaufen sind, versteht sich. Wer da an Schaukelpferde, ein dickes (Kinder)buch, eine Tüte mit selbstgebackenen Vanillekipferln denkt – der wirkt wie aus der Zeit gefallen, wie ein Fossil von werweißwann.
Das ist doch deutlich genug: Sogar das Christkind hat die Faxen dicke, und das nicht erst seit vorgestern. Der Frust vorm Fest heißt ja genau genommen nur, dass man es in der vielfach praktizierten Form nicht will – materiell überladen, ansonsten sinnentleert. Was tun?
Den Abend kurzerhand zusammen verbringen! Dem Christkind jedenfalls kann Ute mit einer Rumkugel eine Freude machen. Das war das einzige Geschenk, das sie von einer Bekannten bekommen – und angenommen hat. Und dass Ute selbst dann auch noch ein Geschenk bekommt, für das es keine Geldwährung gibt und das deswegen umso wertvoller ist – ja, das ist dann ein Weihnachtswunder im besten Sinne.
Ralf König, der begnadete Comiczeichner und Geschichtenerzähler, setzt sich immer wieder mit Fragen von Glauben und Religion auseinander. Und wer, wie Ute, alljährlich den Weihnachtsblues schiebt, darf sich nach der Lektüre die Frage stellen, die schon der Dichter Kurt Marti vor vielen Jahren aufwarf: Will ich die Ware Weihnacht – oder die wahre Weihnacht? Letztere ist vielleicht schwierig, aber nicht unmöglich zu finden.
Ralf König: Santa Claus junior. Rowohlt Verlag; 12 Euro.