CD-Tipp – Turner: Simply The Best

Als die damalige Mittvierzigerin Susan Boyle 2009 bei „Britain’s Got Talent“ auftrat, durfte sie sich schon bei ihrer Vorstellung allerlei Zynisches seitens der Juroren anhören. Was in Begeisterung umschlug, nachdem die Schottin ihr „I Dreamed A Dream“ beendet hatte.

So ähnlich wäre es Anna Mae Bullock 1984 wohl auch ergangen – nur gab es eben noch keine Casting-Shows, für die sie sich hätte bewerben können. Zwar hatte sie eine große Karriere schon hinter sich, glanzvoll als Hälfte des Duos „Ike und Tina Turner“, als Ikes Ehefrau allerdings auch schlimmste Zeiten erlebt. Kaum aus der Ehe befreit und 1978 offiziell geschieden, nahm sie quasi nichts mit außer dem Recht, als Tina Turner weiterhin aufzutreten. Das hatte sie sich ausbedungen. Was sich zunächst als mühsames Unterfangen erwies: Eine Frau von Ende 30 galt in der Branche nicht mehr allzu viel, und dass sie als schwarze Sängerin damals oft genug per se nicht willkommen war, daran hat sie später nie einen Zweifel gelassen. Frühere Welthits wie „Nutbush City Limits“ und „River Deep, Mountain High“ änderten an der Misere nichts. Altstar Tina Turner, die Ex von Ike, nicht mehr jung, nicht mehr jemand, der Erfolge verspricht. So war die Resonanz, die sie oft genug erntete.

Es kam natürlich keine Casting-Show, aber offenbar ein Manager, der sich von all dem, pardon, Unfug nicht beirren ließ.Gewappnet für eine jahrelange Tingeltour durch kleine Clubs, dazu das sprichwörtliche Toilettenputzen – für Tina Turner kam es anders: Ihr Solo-Comeback mit „Private Dancer“ von 1984 darf ruhig als fulminant bezeichnet werden. Zwei Jahre später „Break Every Rule“, erfolgreiches Folgealbum, zwischendrin eine Filmrolle in „Mad Max“ – seitdem hat der Erfolg sie nie mehr verlassen. Ach ja, als James-Bond-Titelinterpretin („Goldeneye“) hat sie auch Musikgeschichte geschrieben (besser: gesungen).

Eine Stimme, die es kein zweites Mal gibt, die alle Genres beherrscht, Rock, Soul, Disco, auch Balladen, die bei anderen Sängerinnen eher kitschig denn gefühlig klängen. Zugleich galt sie aber auch als eine der härtesten Arbeiterinnen im Geschäft, die möglichst nichts dem Zufall überließ oder darauf vertraute, es werde schon gut gehen, seien das nun Live-Auftritte oder Studio-Aufnahmen. „Private Dancer“, das 1985 gleich drei Grammys abräumte, ist bis heute ihr Referenzalbum geblieben. Ein Erfolg, an den bei der Aufnahme allenfalls sie selbst und Manager Roger Davies glaubten.

Es war nur konsequent, dass sie sich 2009 nach einer letzten Tournee ins Privatleben zurückzog. Irgendwann war es wohl einfach mal genug, auch die Gesundheit machte ihr zu schaffen. Zum 80. Geburtstag am 26. November 2019 legte Capitol Records ein Best Of-Album neu auf, einen vorzüglichen Querschnitt durch ihre Solo-Werke. Sie selbst wird zwar immer noch als Tina Turner wahrgenommen, hat mit ihrem früheren Leben aber offenbar weitgehend abgeschlossen. Im Guten. Heute ist sie Schweizer Staatsbürgerin, die amerikanische Staatsangehörigkeit hat sie nicht mehr. Mit dem deutschen Musikmanager Erwin Bach ist sie seit 2013 verheiratet, nachdem sie schon seit Mitte der Achtziger mit ihm liiert war. Einem großen Publikum bleibt sie weiterhin präsent, das Medienecho zum 80. war deutlich. Was bei einer Künstlerin dieses Formats nicht überrascht.

Tina Turner: Simply The Best. (Capitol)

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