Für Udo Jürgens galt das – so sagte er selbst sofort – vice versa. Als einen konkreten Grund dafür gab Hape Kerkling die Zivilcourage des Sängers an.
Wer sich diese CD bewusst vor diesem Hintergrund anhört, wird an das Thema Zivilcourage sehr oft erinnert. Was hat der 2014 verstorbene Künstler nicht alles an „heißen Eisen“ angepackt! „Griechischer Wein“, „Ein ehrenwertes Haus“, natürlich „Aber bitte mit Sahne“ … das war Kritik, oft genug richtig beißende Attacken, gegen Doppelmoral, gegen die, pardon, „Freßwelle“ im Lande, und dann hat er auch heikle Themen angepackt, ohne dabei satirisch zu werden. „Gaby wartet im Park“ etwa, die Schwierigkeit, ein treuer Ehemann zu bleiben, „Lieb Vaterland“, worin er explizit politisch wurde.
Betrachtet man die Jahreszahlen der Erstveröffentlichungen, so wird deutlich, welchen „Zündstoff“ er da auf den Plattenteller brachte. Tabus wurden gerne verschwiegen, noch lieber totgeschwiegen, die Multiplikatoren gegen ein solches Schweigen wie Internet oder die heutige Vielzahl an Fernsehkanälen und Radiosendern gab es noch nicht.
Weniger bekannt ist sicher, dass Udo Jürgens sich auch in der internationalen Folkmusik bedient hat. „Cottonfields“ steht – gelungen – exemplarisch dafür, ebenso das humorige „Du trinkst zuviel“, das ein durchaus ernstes Thema verpackt – und das man, bei aller Variation des Originals, unschwer als Adaption der Dubliners („Seven Drunken Nights“) erkennt.
Manche von Jürgens‘ Titeln haben es längst in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. Beste Beispiele: „Mit 66 Jahren“ und „Ich war noch niemals in New York“. Mit diesem Wissen wird beim Hören auch klar, dass viele der Titel anno 2019 nichts von ihrer damaligen Aktualität verloren haben.
Udo Jürgens: Merci Udo! (Sony)