Der das sagt, ist Hochschullehrer für Medizin und findet es selbstverständlich, dass nicht nur sein Lehrfach, sondern der Zugang zu Universitäten generell Männern vorbehalten sein sollte. Das spiegelt sich auch im Geschlechterverhältnis im Hörsaal: Vierzig Studenten stehen acht Studentinnen gegenüber.
Helga Glaesener, als Autorin erfahren in der Verarbeitung historischer Themen, führt uns ins Jahr 1920: Da muss sich Frida, eine junge Frau, nicht nur den Zugang zum Studium regelrecht ertrotzen, sondern auch zusehen, wie sie finanziell über die Runden kommt. Dabei hätte ihr Großvater, selbst Leiter eines Hospitals, sich freuen können, dass seine Enkelin die Fortführung seiner Arbeit als ihr eigenes Berufsziel sah. Aber Frida war eben eine Frau.
Es ist eine ungewöhnliche Mischung, die Helga Glaesener gelungen ist: Wenn man sich als Studentin überlegen muss, ob man zur Beisetzung des Großvaters kommen kann, dann zuckt die Leserschaft sicher zusammen. Aber 1920 bedeutete selbst die Distanz zwischen Amrum (Fridas Heimat) und Hamburg (ihrem Studienort) einen Reiseaufwand von einer Woche vor dem Hintergrund eines solchen Anlasses. Heute als Entfernung kaum der Rede wert, damals ein gravierender Eingriff in den Alltag, nicht nur einer Studierenden. Dergleichen wirkt „sehr weit weg“ und lässt sich aus Distanz gut lesen. Dass sich Frauen in traditionellen Männerdomänen ihren Platz erkämpfen müssen, mit Leistungen und als Persönlichkeit … das mag freilich 2019, 100 Jahre später, aktueller sein, als uns bewusst ist …
Helga Glaesener: Das Seehospital. Rowohlt Verlag (rororo); 10 Euro.