Buchtipp – Biene: Gasolin

Manchmal sieht man sie noch irgendwo, sei es bei Liebhabern historischer Dokumente oder schlicht auf Flohmärkten: Werbeschilder mit der Aufschrift „Nimm dir Zeit und nicht das Leben“ sind Zeugnisse des Wirtschaftswunders wie VW Käfer und Kalter Hund. Für das, was man sehr viel später Entschleunigung nennen sollte, plädierte damals die Werbung der Gasolin-Tankstellen. Eine auffallende Architektur und charakteristische Farbgebung in Rot-Weiß machte den Namen Gasolin bekannt. Heute erinnern sich wohl allenfalls Fans automobiler Nostalgie an diese Zeiten.

Freundlichkeit war damals Trumpf und Deutschland hatte in der Nachkriegszeit Sympathieträger fürs Image bekanntlich dringend nötig.

Was Ulrich Biene aufbereitet, ist eine Markengeschichte von den 20er Jahren über 50 Jahre hinweg, die mit zahlreichen Fotos und anderen Dokumenten aufwartet, ein wichtiges Stück Geschichte eindrucksvoll illustriert, sogar mit Erstveröffentlichungen. Betrachtet man die Autos auf den Fotos und Zeichnungen, merkt man: Die Zeit des Automobils für jedermann mit einem enorm großen Angebot an Kleinwagen lag noch in weiter Ferne. Was damals auf vier Rädern fuhr, zeugte durchweg von einem kleinen oder auch großen Wohlstand des Fahrers. In dem Maße, in dem der Traum vom eigenen Auto für immer mehr Menschen Realität wurde, verlor auch der Name Gasolin an Bedeutung – bis zum Markenende 1971. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Trotzdem ist die Marke bis heute nicht ganz und gar untergegangen. Das wiederum ist vor dem Hintergrund der Geschichte durchaus tröstlich zu wissen.

Ulrich Biene: Gasolin. Delius Klasing Verlag; 16,90 Euro.

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