Liebe Leserin!
Lieber Leser!

An diesem Wochenende wird Bilanz gemacht. Nicht nur die des Wahlkampfes der Parteien in den vergangenen Wochen und Monaten, sondern auch in Frankfurt am Main. Am Sonntagabend schließt die Internationale Automobilausstellung (IAA), die mittlerweile 67. ihrer Art, ihre Tore unter dem Frankfurter Messeturm. Doch auch bevor die schlauen Superhirne aus der Industrie, die Chefstrategen der Konzerne und der Veranstalter, der Verband der Automobil-Industrie (VDA), ihre Schluss-Communiqués herausgeben, möchte ich mir an dieser Stelle vor dem letzten Messe-Wochenende ein paar persönliche Betrachtungen erlauben.

Es geht dabei nicht nur um meinen eigenen Besuch in Frankfurt, denn der fand ausschließlich an den beiden Pressetagen statt. Daraus kann man sicherlich keine Rückschlüsse auf das Interesse der Allgemeinheit ziehen. Doch etliche Auto-Interessierte aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis gehören seit Jahren und Jahrzehnten zum regelmäßigen Besucherstamm in den Hallen an Messegelände. IAA ist alle zwei Jahre Pflichttermin. Aus einigen Gesprächen habe ich jedoch heraus gehört, dass viele der Besucher in diesem Jahr mit einer anderen Erwartungshaltung nach Frankfurt gereist sind.

Das galt vor allem für jüngere Leute, die im Sog ihrer Umwelt, also durch das Interesse in der Familie oder auch bei älteren Bekannten und Freunden mit dem Auto-Virus infiziert wurden. Gerade diese Gruppe fährt mit einer ganz anderen Erwartungshaltung dorthin, respektive ist inzwischen wohl hin gefahren.

„Zukunft erleben“ hieß das Motto der diesjährigen Autoschau in Frankfurt und angesichts dieses Wahlspruchs sind doch manche Besucher mit einer gewissen Skepsis angereist. Der Hang zu den starken und teuren „Protzmobilen“ mit viel PS, Geschwindigkeits-Merkmalen jenseits der 250er Marke und sportlicher Attitüde ist zwar ungebrochen. Es tummeln sich – diese Erfahrung habe ich selbst gemacht und von anderen, neuralen Besuchern bestätigt bekommen – immer noch mehr Besucher um einen aufgemotzten Ferrari, AMG, Porsche oder „Lambo“ herum als um den neuen VW Polo oder die nächste Generation des Ford Fiesta.

Doch die Autobauer wissen, wie sie ihr Publikum bei solchen Gelegenheiten einfangen: Ein paar „Eyecatcher“, Chrom blitzend, aus der Reihe tanzend, mit ein paar hübschen Hostessen garniert, locken an den Stand. Dort aber stehen dann die sogenannten „Brot-und-Butter-Autos“ der kommenden Jahre, mit denen Volkswagen, Mercedes, BMW und Co. sowie die versammelte Reihe der Importeure ihr Geld verdienen wollen und müssen: SUVs, Kombis, Limousinen, Crossover. Die meisten von Ihnen auch noch mit einem Diesel-Aggregat angeboten.

Das Motto „Zukunft erleben“ schloss also auch trotz der angespannten Lage um mögliche Fahrverbote und zukünftige Antriebs-Strategien die Präsentation neuer Fahrzeuge nach dem Prinzip Rudolfs Diesels nicht aus. Für mich persönlich ist das eines der Ergebnisse dieses Autosalons: Etwas weniger Aufgeregtheit und weniger unsachgemäße Diskussionen täte in der allgemeinen Auseinandersetzung gut.

Denn „Zukunft erleben“ bedeutet auch, dass man nicht alles, was bisher erforscht, entwickelt und gebaut wurde, ad hoc in die Mülltonne der (Automobil)-Geschichte wirft. Zukunft beginnt nicht in einem einzigen Augenblick und lässt dann alles andere auf einen Schlag hinter sich. Sie ist ein Entwicklungsprozess und verteufelt nicht alles, was bisher war. Das ist meine Interpretation von „Zukunft erleben“ der IAA 2017,

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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