Es war ein Abschied, der die Briten weit mehr schmerzte als die Deutschen, bei denen der Ford Capri längst nur noch als Gebrauchtwagen erhältlich war. „Bye-bye Capri!“ weinten die britischen Medien dem seit fast 20 Jahren in Köln gebauten Kultcoupé Abschiedstränen nach, als im Juni 1987 die letzten Exemplare der Ford Capri Limited Edition 280 in Sammlergaragen fuhren. Vielleicht ahnten Fachpresse und Fans damals schon, dass Ford bis heute kein vergleichbares Kultcoupé lancieren würde. Schließlich war der Capri Europas erstes bezahlbares Sportgerät, dessen unwiderstehliche Silhouette mit muskulöser Motorhaube und knackig-kurzem Heck fast zwei Millionen meist männliche Käuferherzen entflammte. Ein familientaugliches, viersitziges Fastback, das sich den Ford Mustang zum Vorbild nahm, aber seinen eigenen Mythos generierte und damit sogar in Amerika Verkaufserfolge erzielte.
Tatsächlich genoss der Capri besonders in seinen späten Jahren den Ruf eines echten Powercars. Ein Image, das Motorsporterfolge ebenso förderten wie die Hauptrolle in der englischen TV-Serie „Die Profis“. Dort gaben die CI-5-Agenten Bodie und Doyle ihren silber- und goldmetallic lackierten Coupés so viel Gummi, dass Gauner und Terroristen weniger Chancen hatten, als wenn sie von James Bond gejagt worden wären. So galt der Capri in Großbritannien in den 1980ern unter Jugendlichen als coolstes Coupé überhaupt, wovon auch sein zweifelhafter Ruf als meist gestohlenes Fahrzeug zeugte. Trotzdem ging die Zeit über dieses „cool car“ hinweg, denn technisch war der Ford von Beginn an antiquiert. Aber eben auch billig durch die hintere Starrachse mit Blattfedern und dem rauen V4.
So kostete das rassig gezeichnete Coupé als Capri 1300 im Startjahr 1969 gerade einmal 6.993 Mark – gut ein Drittel weniger als ein Opel GT 1100 und kaum mehr als das winzige Fiat 850 Coupé. Gewiss, mit 37 kW/50 PS konnte der nur 133 km/h flotte Ford dem Fiat nicht folgen, aber dieser Knauser-Capri demonstrierte, dass ein Auto nicht wirklich rasant sein muss, damit sich sein Fahrer schnell fühlt. Andererseits ließ sich der Capri zum 2300 GT aufrüsten, dann jagte der 79 kW/108 PS starke und 990 Kilo leichte V6-Ford doppelt so teure Mercedes-Coupés. Vorausgesetzt die Bahn war glatt, klagten doch nicht wenige ungeübte Capri-Piloten in der Presse über „regelrechte Seitensprünge“ ihres Ponycars mit „trampelnder Hinterachse“. Was Ford nicht davon abhielt, im Jahr 1970 noch einmal nachzulegen, und den laut Werbung „Capri für Fortgeschrittene“ an die Startlinie zu schicken: „Der Hochleistungs-Capri RS 2600 mit 150-PS-Einspritz-V6 und 200-km/h-Fahrwerk“ nahm nun Porsche ins Visier. Und tatsächlich gewann Jochen Mass mit der 276-PS-Wettbewerbsversion des wilden Kölners die deutsche Rundstreckenmeisterschaft, während sich Dieter Glemser die Tourenwagen-Europameisterschaft sicherte.
Ultimativen Nervenkitzel für die Straße garantierte dagegen die aufgeladene V6-Fahrmaschine des Ingenieurs Michael May, die Ford-Händler wie die Schwabengarage auslieferten. Statt serienmäßiger 125 PS aus 2,6 Liter Hubraum entfachte der 14.000 Mark teure Turbo-Capri 207 Pferdestärken, was der damaligen Leistungsausbeute der deutschen Version des Ford Mustang Mach 1 entsprach. Der von Lee Iacocca kreierte Ur-Mustang diente 1964 als Inspiration für das Konzept des Capri, aber die Spitzenversionen Mustang Mach 1 und Capri V6 verband noch mehr: Beide entsprangen dem Summer of '69, als das irre Jahrzehnt der swinging und speeding Sixties überschwappte in die anfangs nicht minder atemlosen 70er. Damals benötigte niemand einen Joint oder Afri-Cola-Rausch, um durch die schnellen technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen high zu werden, es genügte der Blick auf die tempogeladene Tagesschau oder die Autosalons mit immer neuen Sportwagen. Die Amerikaner gewannen das Rennen zum Mond, Willy Brandt wagte mehr Demokratie und schnelle Autos waren nicht länger ein Privileg von Vielverdienern. Es war der perfekte Zeitpunkt für den Capri als ersten Familiensportler im Stil amerikanischer Muscle Cars.
Über eine Million Capri konnte Ford bis 1974 verkaufen – ein Ergebnis, das die optimistischsten Prognosen übertraf und Konkurrenten wie den Opel Manta oder den VW Scirocco nachwachsen ließ. „Congratulation!“, jubelte denn auch Konzern-Boss Henry Ford II bei einem Besuch seiner Kölner Filiale und Bundespräsident Gustav Heinemann ließ sich das Karriere-Coupé im Detail vorführen. Entsprechend groß war die Herausforderung für den 1974 eingeführten Capri II. Gutes noch besser machen, war seine Mission. Und den Mythos pflegen, denn den Capri gab es längst als Spardose, Zündholzschachtel, Wohnzimmermöbel, Modeaccessoire oder auf Schallplatte. Vor allem aber sollte der Sportler den Europäern wieder Lust aufs Auto machen, die in der Ölkrise des Winters 1973/74 verloren gegangen war. Eine Herkulesaufgabe, die das Ponycar dank praktischer Heckklappe und durch Bewahrung alter Tugenden bravourös löste. So arbeiteten unter der langen Schnauze des Bestsellers nicht nur kräftige 3,0-Liter-V6, sondern als Basis einmal mehr schwachbrüstige 1,3-Liter-Vierzylinder. Ein Trick, der die Preisliste unter die 10.000-Mark-Marke drückte.
Damit unterbot der Capri sämtliche europäische Konkurrenten und auch die ersten Samurai-Kämpfer wie Mazda 616 Coupé und Toyota Celica. Diesen hatte der Capri dank der V6-Versionen überdies den Nimbus des Traumwagens voraus, was sich in den Verkaufszahlen spiegelte. Über 70 Prozent Zuwachs bei den Zulassungszahlen konnte Ford im ersten Halbjahr 1975 vermelden, dazu im Mai 1975 beachtliche 17,5 Prozent Marktanteil und damit die Position des zweitgrößten deutschen Herstellers vor Opel. Frische Sehnsucht nach dem Ford Coupé, das damals auch bei europäischen Polizeibehörden im Einsatz stand, weckten regelmäßige Facelifts. Dazu zählte der Capri S mit Frontspoiler ebenso wie der im Februar 1978 lancierte Capri III. Reichlich Kosmetik spendierte dem Kult-Coupé nun eine neue Frontpartie mit aggressiv schauenden Doppelscheinwerfern und angedeutetem Frontspoiler. Hinzu kamen geriffelte Rückleuchten und technische Modifikationen wie ein Stabilisator für die Vorderachse.
Motorenseitig entfiel der schwächliche 1,3-Liter-Motor, dafür gab es ab 1981 zwei neue Leistungsträger. Zum einen ersetzte der 118 kW/160 PS starke Capri 2.8 Injection den 3,0-Liter-Capri, kurz danach debütierte der Capri Turbo mit 2,8-Liter-Vergasersechszylinder und 138 kW/188 PS Leistung als 215 km/h schneller Überflieger. In nur acht Sekunden sprintete dieser schnellste Capri aus dem Stand auf Tempo 100, damit bewegte er sich bereits auf dem Niveau eines Porsche 944. Noch mehr Temperament hatte nur der sogenannte „Super-Capri“, der sich im Motorsport mit bis zu 580 PS in die Siegerlisten eintrug, während die Straßenversion die Zusatzbezeichnung „Super“ erst ab 1984 erhielt. Heute sind alle Capri super begehrt – haben doch die meisten der coolen Karren den Härtetest vor Dorfdiscos oder englischen Jugendclubs nicht überlebt.
Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Ford/SP-X