Rolls Royce: 90 Jahre Phantom

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Der König ist tot, lang lebe der König! Zwar wird dieser Heroldsruf nicht zu vernehmen sein, wenn Ende des Jahres der letzte Phantom VII produziert wird, verdient hätte ihn dieser royale Rolls-Royce aber. Schließlich steht die Repräsentationslimousine seit sieben Generationen an der Spitze der automobilen Königs-Klasse und der achte Phantom macht sich schon bereit, den Thron der Luxuslimousinen zu besteigen.

In einer Welt permanenter Veränderung ist der Rolls-Royce Phantom die automobile Konstante für alle wirklich Reichen und Mächtigen. Geboren in den Golden Twenties, die eine Flut von 80 Premiummarken hervorbrachten, ist der Phantom das weltweit einzige Prestigemodell mit über 90-jähriger Tradition. Ein Auto, das seine Passagiere mit einer Aura majestätischen Glanzes umgibt, gleich ob es sich um Mitglieder des britischen Könighauses handelt oder um neureiche Milliardäre. Dabei fing alles ganz pragmatisch an, denn 1925 sollte der „New Phantom“ schlicht das alternde Spitzenmodell Silver Shadow ersetzen. Wie sein Vorgänger wurde der Phantom ohne Rücksicht auf Kosten gebaut, allein um dem Credo des „besten Wagens der Welt“ zu genügen. Mit dem Prestige überstand Rolls-Royce die Zeit der Weltwirtschaftskrise, den Niedergang der britischen Automobilindustrie und hauseigene Finanzkrisen unter verschiedenen Eigentürmern. Wirklich große kommerzielle Erfolge erzielt das Kronjuwel britischer Automobilbaukunst jedoch erst seit 2003 – unter bayerischer Führung von BMW.

Waren die frühen 1920er Jahre noch vom wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Ersten Weltkrieg gezeichnet, fuhr die automobile Superliga wenig später in gigantischen Dimensionen und mit unerschöpflich großen Motoren vor, die auf dem Zenit bis zu 16 Zylinder zählten. Geradezu bescheiden wirkte in diesem Umfeld der Sechszylinder im ersten Phantom, der 1925 in London als Nachfolger des Silver Shadow vorgestellt wurde. Zumindest wartete der Phantom mit standesgemäßen 7,7 Liter Hubraum auf und einem massiven Fahrgestell, das über gewaltige 3,82 Meter Radstand verfügte. Je nach Kundenwunsch kleideten altehrwürdige Karossiers wie Hooper, Park Ward, Mulliner und Thrupp & Maberly den Phantom als Limousine, Pullman, Coupé, Cabriolet, Landaulet oder Tourenwagen. Wichtigster Karosseriebauer für die im amerikanischen Rolls-Royce-Werk Springfield gebauten Phantom war dagegen Brewster & Company in New York. Tatsächlich erlangte der Phantom aus US-Provenienz erstaunliche Popularität bei Neureichen, die in den Roaring Twenties zu Wohlstand kamen. Dennoch verdiente Rolls-Royce nie genügend Geld in Springfield, weshalb der 1929 lancierte Phantom II nur noch im englischen Derby gebaut wurde und die US-Dependenz in der Weltwirtschaftskrise unterging.

„Buy British and be proud of it“, hieß es damals in Britannien und die berühmte Kühlerfigur „Spirit of Ecstasy“ zog für das letzte komplett unter Fredrick Royce entwickelte Fahrzeug trotz der Depression überraschend viele Käufer an. Vielleicht waren es die prachtvollen Aufbauten für den Phantom II, sein neu konstruiertes Chassis mit halbelliptischen Federn für noch besseres Fahrverhalten oder schlicht die Qualitätsbesessenheit der Rolls-Royce-Ingenieure, die dazu führte, dass manche dieser monumentalen Karossen über ein halbes Jahrhundert im Einsatz ihrer Herrschaften blieben. Jedenfalls verkaufte sich der Phantom II auch bei indischen Potentaten und sogar in Hollywood besser als die meisten illustren Konkurrenten.

Gestärkt durch diesen Erfolg lotete Rolls-Royce 1935 neue Grenzen aus und schickte den Phantom III mit einem V12, der in seiner Konstruktion an die RR-Aero-Aggregate erinnerte, auf Höhenflug. Eine Maschine, die es im Temperament nicht mit den V12 von Maybach oder Cadillac aufnehmen konnte, dafür in der Zuverlässigkeit unerreicht war. So trieb die Sunday Times 1937 einen Phantom III Park Ward ohne Pannenausrüstung in Rekordzeit von London nach Nairobi, quer durch Sahara und Dschungel: Es waren über 20.000 Kilometer ohne technische Defekte.

Der Zweite Weltkrieg veränderte die Welt der Luxusautos nachhaltiger als alle vorausgehenden Ereignisse. Erst waren es Materialrationierungen und Strafsteuern, die den Neustart der Nobelmarken erschwerten, dann bewirkten selbsttragende Karosserien das Aus für viele Karossiers und schließlich schmolz der zahlungswillige Kundenkreis wie Eis in der Sonne. War es doch in vielen westlichen Ländern lange Zeit gesellschaftlich verpönt, in Fahrzeugen wie dem Phantom vorzufahren. Königshäuser ausgenommen. Weshalb Rolls-Royce den Phantom IV nur auf ausdrücklichen Wunsch von Prinzessin Elisabeth und Prinz Philip realisierte, die sich mit diesem Achtzylinder 1952 zur Krönungszeremonie chauffieren ließen. Erst damit kam Rolls-Royce in den erlauchten Kreis der Hoflieferanten des englischen Königshauses.

Während der Phantom IV nur für ausgewählte Kunden gebaut wurde, gab es für den 1959 vorgestellten Phantom V wieder eine reguläre Preisliste. Dieser technisch mit dem Silver Cloud verwandte Phantom verfügte über einen V8-Motor und – ganz neu – eine Vier-Gang-Automatik. Die Liste der prominenten Eigner des Phantom V ist lang, besonders bemerkenswert sind neben Königin Elisabeth II die Queen Mum, König Olav V. von Norwegen und John Lennon, der seinen Wagen in psychedelischen Farben verzierte. Bis 1964 kannte Rolls-Royce keinen ernsthaften Konkurrenten mehr in dieser höchsten Klasse, dann zeigte der Stuttgarter Stern mit dem Modell 600 Flagge. Der sogenannte „Große Mercedes“ begeisterte als Pullman und mit avantgardistischen Komfortdetails sogar traditionsverhaftete britische Kunden. Weshalb Rolls-Royce 1968 dem über sechs Meter messenden Phantom VI immerhin einen frischen 6,8-Liter-V8 spendierte.

Ansonsten verblieb der bis 24 Jahre lang lieferbare Phantom VI ein in dieser Form weltweit einzigartiges Repräsentationsfahrzeug, das sich fast allen Neuerungen verweigerte. Tatsächlich handelte es sich bei der kostspieligsten Serienlimousine der Welt – zeitweise so teuer wie zwei Mercedes 600 Pullman – letztlich sogar nur um eine Faceliftversion des Phantom V. Die erlauchten Kunden kümmerte es nicht und Königin Elisabeth II freute sich entsprechend über eine Spezialversion, die sie zum silbernen Thronjubiläum 1977 geschenkt erhielt. Als jedoch der Sultan von Brunei 1992 den finalen Phantom VI übernahm, schien das letzte Kapitel der kolossalen Klasse geschrieben.

Es sollte anders kommen. Das erste Modell der 2003 von BMW gegründeten Rolls-Royce Motor Cars Limited avancierte als Phantom VII mit einem Mix aus BMW-Technik und englischer Handwerkskunst zu einem der gefragtesten Luxusgüter des 21. Jahrhunderts. Weshalb Rolls-Royce vor dem in Kürze anstehenden Produktionsauslauf seiner Repräsentationsklasse alle Reichen beruhigte: Der Phantom VIII macht sich bereits startklar. Anders als im gerade enthüllten Concept Car Next 100 können die Phantom-VIII-Passagiere aber noch nicht auf einen autonomen Computer statt des Chauffeurs vertrauen.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Rolls Royce/SP-X

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