Die vielen Fotos zeigen es: Drei Vierfüßler liegen Ihrer Majestät, Königin Elisabeth II., scheinbar besonders am Herzen: Pferde, Corgies – und Land Rover. Mit letzteren fährt sie souverän durch unwirtliche Flussfurten zu den Feldern und Weiden ihrer Anwesen, oder sie lässt sich bei Staatsbesuchen chauffieren. Seit 1953 winkt die Queen aus Land-Rover-Modellen, die von der werkseigenen Abteilung für Special Vehicle Operations (SVO) für die britische Königin umgebaut werden.
Heute ist es ein hybrider Range Rover, mit dem die Queen lokal emissionsfrei an jubelnden Menschenmassen vorbeifährt. Ihre wahre Liebe gilt jedoch weiter dem klassischen Land Rover Defender, jener Geländewagenlegende, die seit 1949 fester Bestandteil des königlichen Fuhrparks ist. Da war der Land Rover gerade erst ein Jahr alt, aber bereits mit der Mission betraut, trotz allgemeiner Materialknappheit den rasanten wirtschaftlichen Wiederaufstieg der renommierten Pkw-Marke Rover einzuleiten – und nebenbei dauerhaft Devisen für das Nachkriegs-Großbritannien zu erwirtschaften.
Eine Mammutaufgabe, die der Allradler ähnlich souverän löste, wie das Durchdringen dichtesten Dschungels oder die Arbeit als Ackergaul für die Farmer des britischen Commonwealth. Wobei die PR-Unterstützung des Königshauses nützlich war – etwa als die Queen mit ihrem Mann Prinz Philip 1953 und 1954 auf einer Weltreise durch den Commonwealth von sechs Land-Rover-Fahrzeugen eskortiert wurde. Zum über 68 Jahre lang gebauten Multimillionen-Bestseller und Gründer der heute eigenständigen Marke Land Rover wurde der Vierradler aber durch sein unverwüstliches Konzept und einzigartiges Charisma. Wovon auch die Zahl 75 kündet. So viel Prozent aller jemals gebauten Land Rover sind nämlich noch immer unterwegs. Dieser Offroader wird sich also auch nach Bauende seinen Weg bahnen.
Anders als der Willys Jeep ist der Land Rover kein militärisches Ziehkind, sondern ein waschechter Zivilist, der nur durch seine Aluminiumkarosserie von der gerade erst vergangenen Kriegszeit kündet, einfach weil Stahl knapp war. Maurice Wilks, leitender Ingenieur bei Rover und Bruder des geschäftsführenden Direktors Spencer Wilks, wollte einen „Rover für den Farmer, mit dem er überall hinkommt und alles machen kann, einen universellen Land Rover“. Ausfuhrgewinne für den Autobauer erwirtschaften musste der Allradler ebenfalls, denn die britische Regierung teilte die wertvollen Rohstoffe damals nach Höhe der Exporterlöse zu. Konstruktive Merkmale des Kraxlers waren ein Kastenrahmenchassis, Starrachsen vorn und hinten (ab 1983 mit Schraubenfedern) sowie die Alukarosse. Leichtmetall war nicht nur verfügbar, sondern auch rostresistent und im Unterschied zu Stahl ohne kostspielige Presswerkzeuge zu bearbeiten.
Um die Produktion noch simpler zu gestalten, entschieden sich die Entwickler für ein geradliniges und kantiges, mit Aluteilen leicht umsetzbares Design. Zeitlos-klassische Linien, die bewirkten, dass die liebevoll „Landys“ genannten 4×4-Modelle ähnlich rasch zum Gattungsbegriff wurden wie sonst nur der amerikanische Jeep. Zugleich erleichterte diese Bauform die Entwicklung von Sonderausführungen für Königshäuser, den Papst, das Rotes Kreuz und Katastrophendienste, Camping und Caravaning, Expeditionscorps, Unterwasserfahrten, Landwirtschaft, Schienenverkehr und Militär – kurz, für jeden denkbaren oder phantastisch scheinenden Einsatzzweck. Wer aus dem Standardrepertoire wählte, hatte immer noch die Wahl zwischen Zahlencodes von 80 bis 130. Die jeweils den Radstand in englischen Zoll andeuten, womit ein Land Rover 80 also über umgerechnet 203 Zentimeter Radstand verfügt.
Ob mit Raupenketten, vier oder sechs Rädern, der Land Rover wurde in Rekordzeit weltbekannt. Nicht nur, weil er schon zwei Jahre nach seiner Premiere in über 70 Länder exportiert wurde und kurz darauf aus Montagewerken aller Kontinente rollte, sondern auch, weil er seine Rolle als automobiler Medienstar souverän ausfüllte. Hier war der Landy stets verlässlicher Retter in der Not, sei es in Nachrichtensendungen als Helfer bei humanitären Katastrophen oder bei Antarktisexpeditionen und in Filmen als allesüberwindender Assistent von Lara Croft oder mit „Daktari“.
Die notwendige Durchsetzungsfähigkeit verdankte der Land Rover seinem zuschaltbaren Allradantrieb und der Geländeuntersetzung, die ursprünglich vor allem bei der Arbeit auf Acker und Feld von Vorteil sein sollte. Tatsächlich ließ es der knorrige Kletterkünstler bei seinem Debüt auf dem Amsterdamer Salon 1948 sogar an festem Dach, abschließbaren Türen und gefederten Sitzen fehlen, denn der Steuervorteil als landwirtschaftliches Fahrzeug sollte nicht gefährdet werden. Richtig komfortabel ist der Land Rover auch als Defender – so nennt er sich seit 1990 – nie geworden, dennoch finden sich ab 1998 Klimaanlage und die Sicherheitsselbstverständlichkeit ABS im Optionenkatalog. Dafür demonstriert der Defender bis heute konsequenter als jeder altgediente Jeep Wrangler, Lada Niva und Mercedes G: Lifestyle geht auch ohne Luxus, sind doch Reduktion und Rustikalität sein Erfolgsrezept.
Nicht zu vergessen die Tests im sogenannten Dschungel, einem direkt neben der Fabrik im mittelenglischen Solihull angelegten Areal voller Schlammfelder, Geröllpisten und Extremsteigungen. Seit dem Ur-Land Rover muss sich hier jede Neuentwicklung des Unternehmens beweisen, Tests, die sogar das Militär überzeugten. So wurde aus dem designierten braven Ackergaul schon 1951 ein bei vielen Streitkräften populäres Armeefahrzeug, das sich mit nur 1.250 Kilogramm Leergewicht auch an Hubschrauberhaken nehmen ließ.
Deutschland entdeckte den Land Rover 1953 ebenfalls als Behördenauto, die Hamburger Tempo-Werke nahmen damals die Fertigung auf für den Bundesgrenzschutz. Ebenso wie Karosserie und Ausstattung des Land Rover nur in kleinen Schritten modernisiert wurden – 1958 gab es eine Serie II, 1971 folgte die Serie III und 2007 die letzte Pflege des Defender – passten sich auch die Motoren dem Zug der Zeit nur sanft an. Was mit einem 37 kW/50 PS starken Vierzylinder-Benziner aus dem Rover-Pkw-Regal begann, wurde 1957 durch einen eigens entwickelten Diesel ergänzt und erreichte 1979 einen Höhepunkt durch die Übernahme des V8 aus dem luxuriösen Range Rover.
Aber im Land Rover 109 V8 gab der 3,5-Liter-Benziner nur 67 kW/91 PS ab, gerade genug für gemächliche 125 km/h. Langsames, dafür unaufhaltsames Vorwärtskommen führte den Land Rover zu allen Erfolgen, im Gelände wie im Geschäft. So überwand er die Krise der britischen Automobilindustrie in den 1960 und 1970er Jahren, die fremden Herren von BMW (ab 1994) und Ford (ab 2000), fügte sich ein beim indischen Tata-Konzern (seit 2008), und verteidigt bis heute seine ehrwürdige Sonderstellung neben nun sechs weiteren Modellreihen der Marke Land Rover. Vielleicht wird sich der allerletzte gebaute Defender daher ganz gelassen fragen, um wie viele Einsatz-Jahrzehnte er seine modischen Hightech-Geschwister vom Schlage eines Range Rover Evoque überleben wird.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Land Rover/SP-X