Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Wo immer man sich umhört, ob im beruflichen Alltag, im Profi-Sport, in der aktuellen politischen Diskussion oder auch im Miteinander auf unseren Straßen: Überall wird der Wunsch nach dem mündigen Bürger, dem mitdenkenden und seine Meinung artikulierenden Gegenüber geäußert. Sich nicht unterbuttern lassen, zu seinen Ansichten stehen, diese vertreten und notfalls auch gegen Widerstände durchsetzen. Hehres Ziel, aber oft ist die Theorie nur grau und die Wirklichkeit sieht eben anders aus: angepasst, hinnehmend, Kopf nickend. Ein Beispiel für den mündigen Verkehrsteilnehmer, der sein Schicksal im wahrsten Sinn des Wortes selbst in die Hand nimmt, habe ich in der vergangenen Woche durch Zufall während einer längeren Autofahrt im Verkehrsfunk erhalten. Der Hintergrund: Eine Reisegruppe von Rentnern und Pensionären aus der Pfalz hatte sich an einem schönen, frühsommerlichen Junitag des Morgens getroffen, um gemeinsam einen schon länger geplanten Ausflug mit einem Reisebus zu unternehmen.

Nun, es dauerte etwas, bis der Bus endlich kam und als alle eingestiegen waren und es losgehen sollte, machten sich einige aus der Gruppe nicht nur ihre Gedanken, sondern auch echte Sorgen um Wohl und Wehe der fröhlichen Gesellschaft. Ihnen war das Verhalten des Busfahrers aufgefallen. Er wirkte wohl – wie man so schön sagt – etwas abwesend, war fahrig in seinen Bewegungen mit der Kommunikation wollte es auch nicht (mehr) so recht hinhauen. Er klagte, darauf angesprochen, über Kreislaufprobleme.

Daraufhin handelte die Gruppe schnurstracks. Kurz entschlossen nahmen ein paar beherzte Mitglieder der Gruppe dem Fahrer die Fahrzeugschlüssel ab und zogen quasi ihren eigenen Busfahrer aus dem Verkehr. Stattdessen informierten sie die Polizei und auch noch den Rettungsdienst. Diese ließen nicht lange auf sich warten. Und die in solchen Angelegenheiten geschulten Polizei-Beamten „rochen“ im wahrsten Sinne des Wortes Lunte. Die Kreislaufprobleme des Fahrers offenbarten sich nach einer Probe als handfester Rausch. Der gute Mann hatte „stolze“ 2,95 Promille Alkohol im Blut. Als Kraftfahrer, der die Verantwortung nicht nur für sich und andere Verkehrsteilnehmer, sondern darüber hinaus für eine ganz Gruppe von nichts ahnenden Reisenden in seinem Fahrzeug hatte.

Ob die Gruppe nun ihren geplanten Ausflug mit einem anderen Fahrer des Unternehmens doch noch antreten konnte, ging aus der Radiomeldung nicht hervor. Das war wohl auch weniger wichtig. Entscheidend in diesem Falle war wirklich das, was ich eingangs mit dem „mündigen Bürger“ gemeint habe. Seine Meinung, seine Eindrücke, seine Vermutungen nicht für sich behalten und der Dinge harren, die da möglicherweise kommen könnten, sondern handeln. Zum eigenen und zum Nutzen einer ganzen Gemeinschaft.

So etwas nenne ich Mündigkeit.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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