Es war einmal ein völlig neues Auto mit einer bis dahin nicht gekannten Form und Größe. Es war lang, kantig, sah aus wie ein geschrumpfter Linienbus und sollte im Nachhinein doch nichts Anderes sein als der Begründer eines völlig neuen Segmentes in der Automobilgeschichte. Der Urvater eine Gattung von Fahrzeugen, ohne die im Laufe von Jahren und Jahrzenten kein renommierter Hersteller mehr auskam. Die erste Generation des Renault Espace, vorgestellt vor 31 Jahren im Jahr 1984, leitete den Erfolgsweg der Großraumlimousinen, des so genannten Vans, ein. Jetzt fahren die Franzosen mit der fünften Generation des Urvaters vor.
13 Jahre hat es gedauert, bis sich der Hersteller von der aktuellen Auflage verabschiedet hat. Der Nachfolger ist ein modern geschnittener, mit vielen runden, abgeflachten Karosserie-Partien richtig aufgehübschter, Sports-Van geworden. Der Enkel hat gegenüber dem Urahn ein richtig schönes (Blech)kleid erhalten. Es ist fast wie im richtigen Leben. Die Geschmäcker in Sachen Optik ändern sich und die Haute Couture entwickelt sich demzufolge weiter. Aus dem kantigen Gesellen der 1980er ist jetzt ein TGV für den Asphalt geworden. Nicht umsonst heißen die Hochgeschwindigkeits-Züge mit der langen, spitz zu laufenden Nase „train a grande vitesse“. Moderne Dienstleister auf Schienen, die es in Sachen Verbindung von Punkt A nach B fast mit dem Flieger aufnehmen können. Was ist also geblieben von der Großraumlimousine der ersten Stunde, was wurde bewahrt, was musste sich ändern, was hat sich also auch geändert beim „Espace V“? Der Neue ist immer noch ein Paradebeispiel für innere Größe, für das Platzangebot und die variablen Gestaltungsmöglichkeiten der Vorgänger-Generationen. Und dennoch: Die Formensprache hat sich verändert, Vans müssen inzwischen fast schon SUV-Ansprüche erfüllen. Die bulligen Familienkutschen, die einst als mutierte und modifizierte Transporter für Mensch und Material mit hohem Alltagsnutzen unterwegs waren, haben ausgedient. So ist auch der neue Espace nicht nur rundlicher, er ist flacher, dynamischer geworden, ohne dabei seine inneren Werte preis zu geben. Zudem steckt in keinem Renault der vergangenen Jahre so viel an Individualität, an Wertschöpfung, an Liebe zum Detail und Komfort-Denken wie in diesem Fahrzeug.
Das fängt schon an beim Zündschlüssel, wobei der Name „Schlüssel“ fast schon eine Beleidigung für diese Designer-Fernbedienung (sieht jedenfalls so aus) ist. So, als hätte ein Luigi Colani sich daran austoben dürfen. Gegenüber Generation Nummer vier haben jetzt viele Assistenzsysteme und auch das Internet mit seinen Connect-Möglichkeiten im Espace Einzug gehalten. Der Fahrer, vom Sitzgefühl und der Umgebung her eigentlich mehr TGV-Conducteur oder Linienpilot, ist Herr über ein Online-Multimediasystem. Er erhält permanente Informationen über ein Head-up-Display, bedient sich (wenn gewünscht) eines adaptiven Fahrwerkes, einer Allradlenkung (serienmäßig in der Topversion) und so nützlicher Dinge wie eines Notbremsassistenten oder auch eines intelligenten Parksystems. Eine riesige Frontscheibe und eine im wahrsten Sinn des Wortes zurückhaltende A-Säule ermöglichen einen respektablen Rundumblick. Natürlich kann – wer mag oder muss – aus dem Fünfsitzer auch wieder einen Siebensitzer machen, wobei die beiden hinteren Sitze dann allerdings nur noch als Notsitze oder als Kita-Shuttle durch gehen. Was jedoch nicht wundern kann: Denn die Quadratur des Kreis kann bei der Umsetzung der neuen Formensprache in Verbindung mit den variablen Lademöglichkeiten nun einmal bei der Bestuhlung nicht gelingen. Dank des Einsatzes von Aluminium und Leichtbau-Werkstoffen hat der Espace auch gut 250 Kilo abgespeckt. Das erinnert fast ein wenig an die selige, mitunter etwas klapprige, Kunststoff-Karosserie der Gründerjahre. Da auch die Zeit der Sechszylinder unter der Haube vorbei ist, ging es noch etwas mehr ran den „Speck.“
Stattdessen stehen jetzt zwei Diesel (130 und 160 PS) und ein Benziner (200 PS), alle mit einem Hubraum von 1,6 Litern, als Antriebsquelle zur Verfügung. Ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe sorgt auf Wunsch beim stärkeren Diesel und beim Benziner für die Kraftübertragung. Renault hat mit dem Espace der fünften Generation fast schon wieder ein neues Fahrtzeug-Segment auf die Räder gestellt. Eine Art Crossover zwischen Großraumlimousine und SUV. Doch die 13 Jahre zwischen Nummer vier und fünf hat man in vielfältiger Weise genutzt. Der neue Espace ist hochwertiger, in seinen Proportionen dem Zeitgeist angepasster und fast schon luxuriöser geworden.
Die Basis-Ausstattung „Life“ mit 130-PS-Diesel gibt es ab 33.550. Euro. Nach oben sind – wie üblich – in Verbindung mit der gewünschten Motorisierung jede Menge Individualisierungsmöglichkeiten gegeben.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun