Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Wir alle haben aktuell sicherlich genügend Möglichkeiten, unser persönliches Mobilitätsbedürfnis zu befriedigen. Die meisten von uns werden mit dem eigenen Auto oder Motorrad unterwegs sein. Sie fahren entweder auch im Auto von Freunden oder Bekannten mit, oder benutzen Busse und Bahnen. Und wenn es im Urlaub mal richtig weit gehen soll, gibt es ja auch noch die Möglichkeit, sich per Flugzeug oder Schiff auf und davon zu machen.

Als ich jedoch in dieser Woche beruflich eine längere Strecke zurücklegen musste, wurde ich plötzlich Zeuge einer Art und Weise des geplanten und organisierten Ortswechsels, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Obwohl ich diese Art des vorwärtskommens in jungen Jahren, als ich noch keinen Führerschein besaß, durchaus auch des Öfteren gepflegt hatte. Am Rande einer Ausfallstraße einer Kreisstadt stand ein junges Pärchen und hielt, wie es so schön heißt, den „Daumen in den Wind“. Anhalter oder auch Tramper genannt. Wie gesagt, ich hatte eine gefühlte halbe Ewigkeit mehr keinen Tramper am Straßenrand gesehen und so erwachte meine Neugier.

Die beiden machten einen durchaus passablen Eindruck. Ich fuhr also rechts ran, fragte wo es hingehen sollte und da Ihr Ziel gar nicht mal so weit weg war und ohnehin auf meiner Strecke lag, lud ich die Beiden denn auch ein, einzusteigen. Natürlich wollte ich ein bisschen was über das Duo wissen, das ich da im Auto sitzen hatte und beide erwiesen sich auch als sehr gesprächsfreudig. Sie ging noch zur Schule, er absolvierte ein sogenanntes soziales Jahr in der Nähe von Tübingen, wo ich eben zu tun hatte. Ich erzählte ihnen, dass ich sehr erstaunt gewesen sei, als ich zwei Anhalter am Straßenrand gesehen hatte und, dass ich in jugendlichen Jahren auch schon des Öfteren „mit dem Daumen unterwegs“ gewesen sei.

Ja, offenbarten mir beide, das wüssten sie schon, dass das eigentlich nicht mehr Usus sei, heute im Zeitalter von Mitfahrangeboten im Internet, von sozialen Netzwerken mit deren Hilfe man sich verständigen könnte, wer wann wohin fährt und noch jemanden mitnehmen. Der junge Mann erzählte mir dann, dass sein Vater – der wohl in etwa in meinem Alter sein musste – diese Art Mobilität selbst auch zu „seiner Zeit“ wohl des Öfteren in Anspruch genommen hatte. Das hätte wohl auf den Filius abgefärbt. Und so verriet mir mein Gast: „Wir beide finden es einfach spannend, sich an die Straße zu stellen und abzuwarten, ob man mitgenommen wird. Und wenn ja, dann lernt jeder jemanden kennen. Der Fahrer und die Mitfahrer.“

Sieh an, dachte ich, mitunter bewahren sich doch Dinge über Jahrzehnte, von denen man das nicht angenommen hätte. Unsereins steckte allerdings damals den Daumen in den Wind, nicht, weil man es spannend fand, sondern weil das die preiswerteste und mitunter auch einzige Art und Weise war, von A nach B zu kommen. Mitunter, so erinnere mich noch lebhaft, waren die Autobahnauffahrten voll von derlei Reiselustigen.

Meine folgenschwerste Reise dieser Art erlebte ich übrigens 1970 kurz nach dem Abitur, als ich mit einem Schulfreund mit dem Rucksack als Tramper nach Finnland wollte. Folgenschwer nicht für mich, sondern ihn, denn wir kamen, wenn auch mit Hindernissen im hohen Norden an. Dort oben lernte er schon in ganz jungen Jahren die Frau seines Lebens kennen, mit der er noch heute in Kanada lebt. Beide haben mich schon des Öfteren eingeladen, sie doch mal dort zu besuchen.

Okay, warum eigentlich nicht. Aber wenn, dann – so habe ich mir geschworen – steht eines fest: Getrampt wird nicht nach Kanada!

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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