Test-Tour: Toyota Land Cruiser 150-V8

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Unter dieser mathematisch-nüchternen Überschrift haben wir uns ein Trumm von Automobil vorzustellen, das die Einfriedungen von Parkplätzen zu sprengen vermag und Standard-Garagen den Garaus macht: 4,95 Meter lang, 1,97 Meter breit (mit ausgeklappten Spiegeln etwa 2,3 m) und 1,91 Meter hoch, also preußisches Gardemaß, was die Körperhöhe betrifft. Der Land Cruiser 150 stellt das derzeit aktuellste und stärkste Paradestück aus der japanischen 4×4-Automobilschmiede dar, das in Deutschland auf dem Markt ist. Eine Gelände-Legende im feinen Zwirn für Großfamilien, alternierende ICE-Reisende, Architekten, Landärzte, Steinbruchbesitzer, Segelflieger, kurz: für Beruf und Freizeitaktivitäten mannigfachster Weise. Die letzte Evolutionsstufe ist seit April 2012 gezündet, da wurde der nochmals überarbeitete V-8-Diesel-Triebling vorgestellt, dazu ein ganzes Paket neuer Maßnahmen an Technik, Komfort und Design (erste Eindrücke unter: www.kues.de/Online vom 20. April 2012). Die offroad-spezifisch wichtigsten Daten: Kippwinkel: 44 Grad, das schafft kein Mensch. Steigfähigkeit: 45 Grad, das sind 100 %, also hochalpines Kletterpotential. Dem Komfort (langer Radstand!) ist es geschuldet, dass die Böschungswinkel und der Rampenwinkel nur Durchschnitt erreichen (die sind beim kurzen, also 3-türigen, Land Cruiser) stärker und steiler ausgeprägt. Da die Wat-Tiefe zudem bei 70 Zentimetern angegeben ist, bringt der LC 150 ab Geburt sehr gute Outdoor-Gene mit. Sein hohes Gewicht zwischen knapp 2,6 und gut 2,8 Tonnen, je nach Ausstattung, weist aber in Verbindung mit den anderen Daten und Fakten eher in die Richtung: starkes, sicheres (auch und vor allem im Winter) und mit viel, viel Innenraum gesegnetes Langstreckenfahrgerät mit hohem Komfort und viel Luxus.

Ein- und Ausstieg über die 4 weit öffnenden Türportale gehen nicht ganz so einfach, da der innere hohe Türschweller draußen von einem Trittbrett ergänzt wird, das selbst langbeinigen Zeitgenossen ein Kontaktproblem beschert: Der Weg vom Fahrersitz bis zum festen Boden neben dem Fahrzeug ist zu lang, da die Trittbretter höchstens für kurzbeinige und kleinfüßige Passagiere Sinn machen. Zudem ist die Verschmutzung der unteren Hosenbeine ziemlich sicher. Sitzt der Passagier einmal im Inneren, das sich feudal-luxuriös präsentiert, kommt sofort Wohlfühlstimmung auf: gerautes Leder verhindert Umherrutschen, Platz für Kopf, Körper und Beine in Menge, Topp-Klimatisierung und Airbags in allen Ecken. Zwei zusätzliche Klappsitze im riesigen Gepäckabteil erweitern (bei der Executive-Version) das Angebot von 5 auf 7 Sitze. Man kann sich genüsslich räkeln.

Der neue Groß-Diesel mit 4,5 Litern Hubraum und 272 PS bei einem Drehmoment von 650 Newtonmetern plättet lange Autobahnsteigungen ganz einfach ein und macht sie zum Flachland. Das hat wirklich was. Die gewaltigen 20-Zöller in Leichtmetall und die entsprechende Reifendimension von 285/50-R20 trüben jedoch das Bild etwas: Sie laufen allen Fahrbahnunebenheiten in Längsrichtung nach und bringen den 2,8-Tonner etwas in Unruhe: Nahtstellen im Belag und Spurrillen sollten umfahren werden. Oder eine etwas schlankere Reifengröße gewählt werden. Die nach innen eindringenden Geräusche wurden von Toyota schlicht weg-optimiert. Außer einem leichten Abrollgeräusch der Niederquerschnitt-Reifen dringt nichts ein. Doch halt! Der fein ziselierte Auspuffsound, markant, aber nie störend, meldet sich mit sonorem Grummeln. Angenehm!

Die neue Ausbaustufe des LC 150-V8 (Diesel) ist voll gefrachtet mit elektrischen und elektronischen Helfern und Assistenten, die allesamt der Sicherheit, dem Komfort und der Wirtschaftlichkeit dienen sollen. Mag sein, aber das hohe Gewicht des 4×4-Luxusliners ist auch den zahlreichen Stellmotoren der Sitze zuzuschreiben. Etwas abspecken, könnte man sicher noch, ohne auf allzu viel Luxus zu verzichten und den Alltag so etwas einzuschränken. Etwas weniger wäre mehr. Gut, der einzige Mitbewerber (aus Großbritannien übrigens), bringt sehr ähnliche Fakten mit. Die enorme Anhängelast von 3,5 Tonnen, die Dachlast bis zu 200 Kilogramm, der permanente Allradantrieb mit frei wählbaren Gelände-Programmen und vieles mehr machen den LC 150-V8 Diesel (der Benziner-V8 wird in Deutschland nicht mehr angeboten) zum idealen Langstreckenfahrzeug mit großer Familie, hoher Hängerlast, viel Platz für Mann und Maus. Für Hobby-Offroader ist er zu schwer, zu teuer, zu schade. Auch das soll gesagt werden, die finden handlichere 4×4-Modelle beim Hersteller. Unangenehm fiel uns auf, dass der Material-Mix am Lenkradkranz nicht sehr praxisgerecht ausgefallen ist: Vom haptisch richtigen und griffigen Lederbezug gerät der Pilot beim Umgreifen in engeren Kurven ohne Übergang auf spiegelglattes Kunststoff-Holzimitat: Da flutscht das Lenkrad flink durch die Finger, obwohl man es ja festhalten will und muss. Kleinigkeiten, mag man sagen, aber bei einem Preis nahe der 6-stelligen Grenze für die auf Höchstmaß aufgerüstete Executive-Version darf man sich kaum noch kleine Ungereimtheiten erlauben. Der Einstieg in die moderne V-8-Dieselklasse bei Familie Land Cruiser startet aber schon bei 74.500 Euro, der Executive ab 88.500 Euro. Toyotas Feinarbeit hat auch einen anderen Nebeneffekt erzeugt: Beim Tanken signalisierte uns das Display einen Durchschnittsverbrauch von 12,3 Litern, die wir etwas misstrauisch beäugten. Bei der klassischen mathematischen Nachrechnung aus gefahrenen Kilometern und dem erneuten Volltanken ergaben sich exakt 12,354 Liter. Das nennt man Präzision.

Text und Bilder: Frank Nüssel

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