Ausgerechnet in der umkämpften Kompaktklasse gelang den Koreanern von Hyundai in Rekordzeit der Aufstieg zu einem der fünf größten Automobilkonzerne der Welt. Das Startsignal zu der Blitzkarriere gab vor genau 40 Jahren die koreanische Staatsführung, die die Automobilindustrie zum wichtigsten Devisenbringer des Landes machen wollte. Wie ein hungriger Tiger sollte sich Hyundai auf die Kompaktklasse stürzen und mit einem Volksauto die Massenmotorisierung des Heimatmarktes ermöglichen und dann den Weltmarkt erobern.
Eine Herkulesaufgabe, die Hyundai mit dem kleinen Pony als erster koreanischer Eigenentwicklung sogar zur Verblüffung seiner internationalen Geburtshelfer löste. Mit italienischem Design, japanischen Antrieben und englischem Vertriebsgeschick stürmte der preiswerte Pony ab 1975 in die Zulassungsstatistiken. Zunächst wurde Hyundai die Nummer eins in Korea, dann in Kanada und wenig später auf Märkten rund um den Globus. Bei so viel Hektik stürzte der ungestüme Tiger fast zwangsläufig in so manche Falle, aus der er sich aber immer wieder befreien konnte.
Dazu zählten vor allem massive Qualitätsprobleme. Erst mit der dritten Pony-Generation, die 1991 auch in Deutschland antrat, war dies endlich Vergangenheit. Aus Deutschland erhielten die kompakten Hyundai 20 Jahre später sogar einen ganz besonderen Ritterschlag: Auf der IAA 2011 machte VW-Chef Martin Winterkorn die Verarbeitungsqualität des neuen i30 zum Maßstab für die Wolfsburger.
1974 war ein Jahr, das die Autowelt in ihren Grundfesten erschütterte. In Nordamerika wurden die gigantischen „Gasoline-Guzzler“ vorübergehend Opfer der Ölkrise und neuer Emissionsgesetze, dafür Vierzylinder aus Fernost erstmals gesellschaftsfähig. In Europa kreierte Stardesigner Giorgietto Giugiaro einen Kronprinzen für den VW Käfer, das bis dahin meistgebaute Auto der Welt. Giugarios neuer Golf sollte die Kompaktklasse revolutionieren – genau wie ein zweiter Geniestreich des Italieners, der bei seiner Premiere auf dem Turiner Salon von der Fachwelt allerdings nur milde belächelt wurde. Dabei war das Blechkleid des Hyundai Pony dem VW Golf damals so ähnlich, wie es sonst nur Geschwister sind.
Ganz anders sah es allerdings unter der schicken Hülle des Hyundai aus. Während der Golf mit modernen Quermotoren, Vorderradantrieb und sportlicher Fahrwerksabstimmung fast schon Haute Cuisine für die Kompaktklasse bot, fuhr der Pony für verwöhnte Europäer schwerer verdauliche Hausmannskost auf. Ohne Heckklappe, mit Hinterradantrieb, simpler Fahrwerkstechnik und einem phlegmatischem 1,2-Liter-Vierzylinder erinnerte der schick gezeichnete Koreaner technisch deutlich an altbackene Japaner oder Engländer wie etwa Mitsubishi Lancer oder Morris Marina.
Kein Wunder, verbanden den ersten Pony doch mit genau diesen Klassen-Kameraden verwandtschaftliche Beziehungen. Mitsubishi lieferte die Antriebstechnik und der 1974 als Hyundai Vize-Präsident ins Amt gerufene Engländer George Turnbull war zuvor bei British Leyland für die Einführung des Morris Marina verantwortlich. Jetzt versuchte Turnbull den Turnaround bei den Koreanern. Aus einem Lizenzhersteller für englische Ford Cortina formte er ein Unternehmen mit weitgehend eigenständigen Produkten für den Weltmarkt, gegen das die damaligen koreanischen Konkurrenten Kia, Saehan (GM) und Asia Motors chancenlos schienen. Vielleicht auch, weil sich bei aller Bodenständigkeit bereits der erste Hyundai Pony um Faszination bemühte. So enthüllte Giugario parallel zum Viertürer ein verführerisch schönes Coupé in modischer Keilform, das es allerdings nicht bis zur Serienreife schaffte.
Anders der Pony. Er startete 1975 als Viertürer, ein Jahr später als Pick-Up, 1977 als Kombi und 1980 endlich mit Heckklappe. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Pony bereits Geschichte geschrieben. Im ersten Verkaufsjahr konnten zwar nur 10.700 Einheiten des kompakten Hyundai produziert werden, dies entsprach in Korea aber bereits einem Marktanteil von 44 Prozent. Damit die Lieferzeiten in Korea nicht ins Unermessliche stiegen, wagte der Pony den Sprung über den Ozean erst 1976. Ecuador, Kolumbien und Ägypten waren die Testmärkte, gefolgt von George Turnbulls Heimatmarkt Großbritannien. Dort und ab 1978 auch in den Benelux-Ländern errang der Exot Erfolge als elegant gezeichneter Preisbrecher gegen die deutlich teureren Japaner.
Dünne und wabblige Bleche mussten die Käufer dem Koreaner allerdings ebenso nachsehen wie einen Lack, der aussah, als wäre er mit dem Pinsel aufgetragen. Vielleicht war es diese Toleranz der frühen Pony-Käufer, die Hyundai in trügerischer Sicherheit wog. Jedenfalls geriet erst die 1982 eingeführte und noch nachlässiger gefertigte zweite Pony-Generation in westlichen Zeitungen in die unrühmlichen Chartlisten der qualitativ schlechtesten Autos aller Zeiten. Himmel und Hölle zugleich für den kompakten Koreaner, der 1985 auf dem Heimatmarkt die Millionenschallmauer bei den Zulassungen durchbrach und in Kanada zum meistverkauften Fahrzeug überhaupt aufstieg.
Was folgte war eine Qualitätsoffensive nach dem Vorbild japanischer Hersteller. Ein kurzfristiger Absturz auf manchen Märkten konnte zwar nicht mehr verhindert werden, aber schon mit der Einführung des Frontantriebs bei der 1985 lancierten dritten Pony-Generation – auf einigen Märkten Excel genannt – und einer sportlichen S-Coupé-Version ging es wieder aufwärts. In Deutschland feierten Pony und S-Coupé erst 1991 Premiere, gerade rechtzeitig um vom beispiellosen Absatzboom der Wiedervereinigung zu profitieren. Nahezu konkurrenzlos wurde die Schräghecklimousine durch den Einstiegspreis von 15.990 Mark – fast ein Viertel weniger als Volkswagen damals für den Golf berechnete. Belohnt wurde Hyundai mit ein Prozent Marktanteil nach nur 18 Monaten und dem besten Deutschlandstart einer neuen Marke aller Zeiten. Ein Ergebnis, das die Koreaner in ähnlicher Form zuvor in den USA gefeiert hatten.
Zum ersten koreanischen Weltauto wurde der 1994 lancierte Hyundai Accent als Nachfolger des Pony. Produktionsanlagen in Ländern wie Indien, Russland (bei TagAZ als Hyundai Solaris), Mexiko (als Dodge Verna bzw. Attitude), Venezuela (Dodge Brisa), Puerto Rico (Hyundai Brio) und in China (Beijing Hyundai Verna) beschleunigten die Karriere des neuen Bestsellers, der derzeit in vierter Generation verkauft wird. In Westeuropa konnte sich der Accent allerdings nicht einmal mit Dieselmotorisierung wirklich durchsetzen. Dies gelang erst dem im Jahr 2007 eingeführten i30. Als erster Hyundai war der i30 nicht nur in Europa (Rüsselsheim) entwickelt worden, er wurde ab 2008 auch im tschechischen Nosovice produziert.
Spätestens seit der Vorstellung der zweiten Modellgeneration des i30 auf der IAA 2011 kämpft Hyundai in den Zulassungscharts der europäischen Kompaktklasse um eine Spitzenposition – der Tiger giert nach immer neuen Erfolgen. Aufpassen muss er jedoch, dass er seine Vergangenheit nicht vergisst. Kaum ein Hyundai Pony, der es in den Youngtimerhimmel geschafft hat. Gerade in der westlichen Welt wachsen starke Marken jedoch fast immer aus großer Vergangenheit.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Autodrom Archiv, Hyundai/SPS