Stapler-WM: Der etwas andere Motorsport

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Normalerweise hantieren sie mit tonnenweise Tiefkühlfisch, Paletten voller Bierkisten oder gerolltem Stahlblech. Doch an Wochenenden wie diesem brauchen die Männer auf ihren so genannten Flurförderfahrzeugen viel Feingefühl. Denn wenn sie, wie vor ein paar Tagen beim Staplercup in Aschaffenburg, ihren Meister küren, dann hantieren die besten Gabelstaplerfahrer der Welt mit leichten Lasten auf den Millimeter genau: Mit einem Auge auf der Stoppuhr und stets auf den Punktestand bedacht, schubsen sie Golfbälle durch Murmelbahnen und putten die kleinen Kugeln mit Miniaturschlägern ins Loch, sie bugsieren Basketbälle durch Körbe, geben sie im Doppelpass an ihre Kollegen weiter und legen sie am Ende auf bierdeckelgroßen Tellern drei Metern über dem Boden ab. Sie sortieren Palettenstapel auf Flächen, die kaum größer sind als der Parkplatz eines Smarts, sie balancieren mit riesigen Hüpfbällen und sie hantieren mit hunderten von Plastikkugeln, die sie wie rohe Eier durch den Parcours jonglieren.

„Da braucht man vor allem viel Feingefühl und Augenmaß“, sagt Ahmet Tekindag , der letztes Jahr deutscher Meister wurde und in diesem Jahr das Team Deutschland zum Mannschaftstitel geführt hat. Hochkonzentriert fixiert er den Ball, hat für nichts anderes mehr einen Blick, lässt versonnen die Zungenspitze kreisen und bugsiert den Stapler millimeterweise um die großen Stangen, auf denen die Kugel am Ende liegen muss. „Das ist vor allem eine Sache der Konzentration“, sagt der Stapler-Champion. Denn zu bedienen sind die rot-schwarzen Kraftpakete ganz leicht: Ein Doppelpedal im Fußraum, das wie eine Wippe links und rechts aus dem Kabinenboden ragt, gibt die Richtung vor: Tritt man rechts drauf, rollt der Stapler nach vorn, links geht es zurück. Die Hubvorrichtung steuert man mit einem einzigen Joystick: Bewegt man ihn vor und zurück, neigt sich der Hubbaum. Kippt man ihn nach links oder rechts, hebt und senkt sich die Ladung.

Auf den ersten Blick geht es beim Staplercup dabei vor allem um Spannung, Spaß und Spiel. Doch Ausrichter Linde Material Handling, der es von Aschaffenburg aus zu einem der weltweit größten Herstellern solcher Flurförderfahrzeuge gebracht hat, will nicht nur seine Kunden binden und die Marke bekannt machen. „Es geht hier vor allem um die Sicherheit der Fahrer“, sagt Peter Seufert, der den Parcours im letzten halben Jahr entwickelt hat. 12.000 meldepflichtige Unfälle allein in Deutschland zeigen, dass der Umgang mit den schweren Lasten keine leichte Übung ist. Nicht umsonst müssen die rund 350.000 Lageristen, Staplerfahrer, Trucker und Speditionsmitarbeiter, die bei uns regelmäßig mit solchen Geräten zu tun haben, eigenes einen Staplerführerschein machen. Und deshalb geht es hier in Aschaffenburg eben nicht nur um Zeit und Zielgenauigkeit, sondern auch um die strengen Arbeitsschutzregeln, die während der Wettkämpfe von einem knappen Dutzend Schiedsrichtern überwacht werden. „Wer einen Pylonen touchiert, ein Tor tangiert oder schon während der Fahrt seine Ladung hebt, wird sofort disqualifiziert“, sagt Detlev Sieverdingbeck vom Gastgeber Linde.

Der nutzt den Staplercup auch als Bühne, um seine technische Kompetenz zu präsentieren. Denn die Flurförderfahrzeuge, von denen pro Jahr weltweit rund eine Million Exemplare verkauft werden, sind längst Hightech-Produkte, die es locker mit dem Auto aufnehmen können. Das gilt nicht nur für die Preise, die bei 15.000 Euro beginnen und bei 200.000 Euro noch lange nicht zu Ende sind. Sondern es gilt auch für den Komfort. Immerhin bietet Linde bei seinen teuersten Staplern sogar Sitzheizung, Massagesessel und voll klimatisierte Kabinen an. „Wer den ganzen Tag im Kühlhaus arbeitet, der mag darauf nicht mehr verzichten“, erklärt Sieverdingbeck.

Wo sie beim Komfort gleichziehen, sind sie den Pkw-Herstellern bei der Kraft um Längen voraus. Über der Wettkampfarena von Aschaffenburg zum Beispiel baumelt in bald 16 Metern Höhe ein 45 Tonnen schwerer Container, der von einem so genannten „Reach-Stacker“ gehoben wird. Zwar selbst über 70 Tonnen schwer, wirkt der König der Hochstapler auf den ersten Blick fast so zierlich wie eine Mercedes M-Klasse. Noch eindrucksvoller ist allerdings der mit Linde-Technik bestückte Rotrac E2 des Spezialherstellers von Zwiehoff: Kaum größer als zwei liegende Telefonzellen und mit einem einfachen Steuerpult ferngesteuert, rollt das Kraftpaket auf Straße und Schiene und zieht bis zu 380 Tonnen – selbst einen havarierten ICE könnte der Rotrac damit aus dem Tunnel schleppen.

Besonders stolz ist Linde-Mann Sieverdingbeck auf die Antriebstechnologie seiner Flurförderfahrzeuge: Zwar verkauft Linde die Hälfte der Stapler noch mit Verbrennungsmotoren, wovon die meisten mit Diesel laufen. Doch während die Autoindustrie noch um den Serienstart ihrer ersten Stromer ringt, kommt der Elektroantrieb bei Linde etwa in Deutschland mittlerweile auf einen Marktanteil von 50 Prozent. „Und das nicht erst seit gestern“, sagt Sieverdingbeck. „Sondern unseren ersten E-Stapler haben wir schon 1971 auf den Markt gebracht.“ Aktuell laufen die meisten Akku-Stapler mit konventionellen Bleisäure-Batterieren, die für eine komplette Achtstundenschicht reichen und dann wie bei der Taschenlampe einfach ausgetauscht werden. „Zwar bieten wir neuerdings auch Onboard-Ladesysteme an, aber so können wir die Standzeiten minimieren“, sagt der Linde-Manager stolz.

Im Testbetrieb laufen bereits die ersten Stapler mit Lithium-Ionen-Akkus, und sogar die Brennstoffzelle haben die Staplerfahrer längst entdeckt. Während die Autohersteller daran noch forschen, kann man sie bei Linde & Co schon kaufen. „Allerdings muss man dafür noch etwa den vierfachen Preis bezahlen“, räumt der Pressesprecher ein. Trotzdem registriert er erfreut eine leichte Verschiebung in der Wahrnehmung der Welten: „Früher haben wir immer neidisch auf die Autohersteller geschaut, ihre Produktionsprozesse und ihre Entwicklungsabteilungen bewundert“, räumt der Manager ein. „Aber heute haben wir plötzlich die Nase vorn.“

Während der Firmensprecher politisiert und die Leistungsschau seiner Produkte genießt, geben die Staplerfahrer unten in der Arena beim Ballett der Kraftmeier ihr Bestes, jonglieren die Bälle und ringen um die letzten Punkte. Gewinnen kann zwar am Ende nur einer, aber feiern werden sie alle gemeinsam, sagt ein Gast aus Amsterdam. Wie sie ihren Besten ehren, daran lässt der professionelle Hochstapler aus Holland keinen Zweifel: „Auf den werden jetzt erst mal ordentlich einen heben“.

Text: Spot Press Services/Benjamin Bessinger
Foto: TriAss, SPS

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