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Heute teilt er das Schicksal der meisten Helden des Alltags, er ist vergangen und vergessen. Dabei gelang dem kleinen Fiat 127 einst die Erneuerung und Wiederbelebung des Kleinwagensegments in fast ganz Europa. Gleich zu Beginn seiner über 40-jährigen Erfolgsgeschichte wurde er zum „Auto des Jahres 1971“ gewählt und er bedankte sich wenig später mit dem Rang des meistverkauften europäischen Autos. Tatsächlich galt das bescheidene, 3,59 Meter messende Modell 127 damals als modernster Großserien-Kleinwagen überhaupt, mit frechem Design, Frontantrieb, kräftigen Quermotoren, Einzelradaufhängung rundum und entsprechend souveräner Straßenlage. Vor allem aber mit praktischer Heckklappe – allerdings erst nachdem der Renault 5 als Rivale angetreten war.

Sogar in Brasilien und Argentinien machte der kompakte Fiat Furore – als Volksauto mit der Typenziffer 147. In Jugoslawien lieferte der 127 derweil ab 1981 die Basis für den Zastava Yugo, der als erstes osteuropäisches Auto in den USA vertrieben wurde und dort trotz katastrophaler Fertigungsqualität Kultstatus ob seiner unschlagbar günstigen Preise errang. Aus spanischer Seat-Produktion fanden die viertürigen 127 den Weg nach Deutschland. Immer neue Motoren, darunter der damals weltweit kleinste Pkw-Diesel und der erste Großserien-Ethanolmotor hielten den Fiat scheinbar ewig jung. Nicht einmal Krisen der Qualität und der Korrosion konnten ihm schaden. Insgesamt liefen weit über 8,8 Millionen Einheiten der Kleinwagenfamilie vom Band. Ein rekordverdächtiger Wert und zugleich ein gelungener Auftakt in die Frontantriebsära der kleinen Fiat. Als „wichtigen Meilenstein für die große Masse“ kündigte die Konzernführung den Kleinwagen bei der Pressevorstellung an. Ein vollmundiges Versprechen, das der Zwerg jedoch leicht einlöste.

Mit den klassischen Heckmotorkleinwagen Fiat 500, 600 und 850 waren die Italiener in den ersten Nachkriegsjahrzehnten auf die Räder gekommen, mit dem innovativen Fiat 127 eroberten sie ganz Europa. Er stand für den großen Sprung in die Zukunft, auch wenn sein Konzept keine Sensation bedeutete. Immerhin hatten die Konzernmodelle Autobianchi Primula und A 112 bereits wesentliche Layoutmerkmale des Fiat 127 vorweggenommen und die Stufenhecklimousinen Autobianchi A 111 und Fiat 128 konnten zumindest mit vergleichbarer Antriebstechnik aufwarten. Seine Ausnahmeposition in der Kleinwagengeschichte verdankt der Fiat 127 vor allem in einer so noch nicht da gewesenen Kombination aus minimalistisch-simplen Linien des jungen Designers Pio Manzu, moderner Technik und vergleichsweise großzügig dimensioniertem, variablem Innenraum. Obwohl der 127 mindestens 26 Zentimeter kürzer war als die klassischen Limousinen Fiat 128 und Autobianchi A 111, bot er ähnlich große Innenraumabmessungen mit mehr Variabilität.

Der altgediente 0,9-Liter-Vierzylinder hatte zwar bereits im Heck des Fiat 850 gearbeitet, war aber außergewöhnlich zuverlässig und langlebig. Ein Jahrzehnt später war der motorische Methusalem sogar mitursächlich für die multimillionenfache Verbreitung des ersten Panda. Für den Erfolg des 127 mindestens ebenso wichtig waren die flotten Fahrleistungen des Kleinen. Die nominell bescheidenen 35 kW/47 PS – in Deutschland zugunsten günstigerer Versicherungseinstufung sogar nur 33 kW/45 PS – trieben den modernen Mini schneller voran als fast alle Konkurrenten. Sogar die damals längst Kultstatus besitzende sportive NSU „Prinzengarde“ konnte nicht mithalten, in der Topversion NSU TT benötigte der deutsche Hecktriebler 48 kW/65 PS, um den italienischen Fronttriebler zu überholen. Mit einer Vmax von über 140 km/h konnte der flinke Fiat-Mini sogar Mittelklassemodellen wie VW 1600, Opel Ascona 1.2 oder Ford Taunus 1.3 davon fahren. Die erste sogenannte Ölkrise und eine von Fiat flott nachgeschobene 29 kW/40 PS starke „Sparversion“ des Fiat 127 für preiswerteres Normalbenzin ließen tatsächlich vor allem in Deutschland manche Fahrer größere Modelle auf den Kleinwagen umsteigen. Dabei konnte den 127 nicht einmal die Konkurrenz aus Frankreich, der Renault 5, aufhalten. Mit seinen neuartigen und provokativen Kunststoffstoßfängern überzeugte der „kleine Freund“, wie ihn die Renault-Werbung später nannte, konservative Kunden weniger als der sachlich gezeichnete Fiat.

Der legendäre Entwicklungschef Dante Giacosa hatte seinen Nachwuchsstar Pio Manzu mit dem Entwurf des kleinen Massenmobils beauftragt. Manzu hatte sich bereits einen Namen gemacht mit den Designzeichnungen für das Sportwagenprojekt Autonova von 1965, aus dem der Lombardi Grand Prix hervorging. Ein tragisches Ende sollte allerdings Manzus Arbeit am Design des 127 finden. Auf dem Weg zur Vorstellung seiner finalen Entwürfe vor dem Fiat-Direktorium in Turin am 26. Mai 1969 verunglückte der Designer tödlich mit einem Fiat 500. Eine posthume Würdigung erhielt Manzus Designentwurf jedoch, als der Fiat 127 als erster Turiner Mini mit Frontantrieb einen Multimillionenerfolg erzielte.

So konnten vom Typ 127 schon innerhalb der ersten acht Jahre über vier Millionen Einheiten verkauft werden, eine weitere Million kam bis 1982 hinzu. Dann debütierte der Nachfolger Uno, der alles noch besser konnte und seinem Namen von Anfang an alle Ehre machte, indem er sofort und damit zwei Jahre schneller als sein Vorgänger die Spitze der europäischen Kleinwagenverkaufscharts eroberte. Für den Fiat 127 war die in insgesamt 25-jähriger Bauzeit erreichte globale Gesamtstückzahl von über acht Millionen Einheiten dennoch ein überaus stolzes Ergebnis, zu dem eine konsequente Modellpflege mit immer neuen Varianten und Motoren entscheidend beitrug.

Kompakt, spritzig und sparsam fuhr er sich ins Bewusstsein europäischer und südamerikanischer Autofahrer als bella macchina italiana für schmale Budgets. Auf die Versionen mit 29 kW/40 PS und 33 kW/45 PS folgte mit dem ersten Facelift im Jahr 1977 die neue Spitzenversion 127 CL 1050 mit einem 37 kW/50 PS starken Vierzylinder. Von 1978 bis 1981 war der 127 Sport 70 HP sportliches Aushängeschild der Baureihe. Mit markanten Front- und Dachspoilern, Doppelrohrauspuff, auffälligen Lackierungen in racing-orange, schwarz oder silbermetallic und vor allem 51 kW/70 PS Leistung ersetzte er nicht nur die kleinen Sportcoupés aus der 128-Typenfamilie, vor allem übertrug er das GTI-Fieber jener Jahre mehr noch als Autobianchi A 112 Abarth oder Innocenti De Tomaso auf die familientauglichen Kleinwagen. Ab 1981 konnte der 127 Sport sogar mit 55 kW/75 PS aus 1,3-Liter-Hubraum und noch aggressiverer Optik aufwarten und sich sogar im reifen Alter von über zehn Jahren gegen jugendliche Herausforderer wie das neue Polo Coupé behaupten.

Vielseitigkeit für junge Familien kennzeichnete dagegen den fünftürigen Fiat 127 C aus spanischer Seat-Produktion und den dreitürigen Kombi Panorama brasilianischer Abstammung mit in dieser Klasse rekordverdächtig großem Kofferraum von bis zu 1.178 Liter Volumen.

Ein Vorläufer heutiger Crossover- und SUV-Modelle war das allerdings nicht in Deutschland vertriebene Modell 127 Rustica mit verstärktem Fahrwerk, Schutzgittern vorn und hinten und robustem Dachgepäckträger. In Südamerika rundete eine Stufenheckkarosserie das Angebot der dortigen Fiat-147-Palette ab, die in Brasilien bereits seit 1976 in Produktion war. Eine Sensation war der 147 mit 44 kW/60 PS-Motor der 1979 als weltweit erstes kleines Großserienautomobil präsentiert wurde, das mit reinem Ethanol lief. In Europa erschien dafür 1981 eine 33 kW/45 PS entwickelnde Version mit 1,3-Liter-Dieselmotor vom Stapel, die als damals weltweit kleinster Pkw-Selbstzünder besonders im Kombi Panorama großes Aufsehen bewirkte. Die Verkaufszahlen blieben jedoch bescheiden, zumal die Norm-Verbrauchswerte von 5,1 bis 7,7 Liter Diesel auf 100 Kilometer keine Maßstäbe setzten. So begnügte sich etwa der größere VW Golf D Formel E mit 4,5 bis 6,5 Liter Dieselöl. Den Fiat bremste auch sein träges Temperament aus: Bescheidene 74,5 Nm maximales Drehmoment, 24 Sekunden für den Spurt auf Tempo 100 und eine Vmax von Tempo 130 platzierten ihn auf der Kriechspur.

Auf die Überholspur fuhren dagegen Sondermodelle und Luxusversionen wie 127 Top und Palio mit Faltschiebedach oder 127 Super, vor allem aber ab 1978 die Minitransporter 127 Fiorino. Als flinke Stadtlieferwagen besaßen die Fiorino auf einigen Märkten sogar fast eine Alleinstellung. Selten blieben nur die 127 Pick up, die aus dem brasilianischen Werk Belo Horizonte stammten. Ersetzt wurde der 127 ab Mitte der achtziger Jahre nach und nach durch den Fiat Uno. Als 1996 die letzten Fiat 147 aus den argentinischen Werkshallen rollten, zählten die europäischen Geschwister längst zu den akut gefährdeten Arten, die vom Rostteufel mit dem Garaus bedroht wurden.

Dabei wollte Fiat den 127 von Beginn an durch ein besonderes Lackierverfahren rostresistent machen. Dazu wurde der Lack dreimal eingebrannt, einmal mehr als bei anderen Fiat-Modellen. Eine Strategie, die gegen die „braune Pest“ jedoch nur Teilerfolge erzielte. Nicht selten verwelkten die italienischen Minis für die Masse bereits in jungen Jahren. Dafür zählen die überlebenden Fiat 127 noch heute zu den erschwinglichen Helden des Alltags, die bei Youngtimerrallyes mehr Applaus erhalten als mancher rare Ferrari.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: autodrom archiv, SPS

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