Es ist die alte Geschichte von Kain und Abel, von den beiden Platzhirschen, die um jeden Meter Terrain kämpfen, vom nicht enden wollenden Rennen zwischen denen aus Wolfsburg und aus Rüsselsheim. Kommt der eine, war der andere schon da. Hat der eine dies oder jenes im Gepäck, glänzt der andere mit noch mehr und noch ausgefallenerem Zubehör. VW Golf gegen Opel Astra, das ist der Machtkampf um die Vorherrschaft in einer Klasse, in der das Hauen und Stechen um den Kunden besonders intensiv ist. Der neue Golf, der sechste seiner Art, ist schon da, bald heißt es Ring frei zur nächsten Runde. www.kues.de hat sich schon in den neuen Opel Astra reingesetzt.
Die sechste Version des Modells, dessen Name für eine eigene Fahrzeug-Klasse steht, hat Europas größter Autobauer vor wenigen Monaten auf den Markt gebracht. Jetzt zieht Rüsselsheim mit dem neuen Astra nach. Dies in wirtschaftlich turbulenten Zeiten, in denen unter einem neuen Besitzer Vieles, wenn nicht sogar Alles im Konzern in Frage und auf den Prüfstand gestellt wird. Auf der Internationalen Automobilausstellung IAA vor wenigen Wochen wurde der neue Opel Astra vorgestellt. Mit sehr viel weniger Brimborium als in vergangenen freundlicheren, Tagen Glanz und Glamour sind eben nicht angebracht, wenn Tausende von Arbeitsplätzen zur Disposition stehen.
Zunächst einmal zur Optik: Wohl noch in keiner Astra-Auflage der Vergangenheit steckt soviel Ausgewogenheit, soviel harmonisches Miteinander von Formenspiel und Ausdruckskraft wie in dem Modell, das sich von der höherwertigen Mittelklasse – sprich vom hauseigenen Insignia – nur noch marginal abhebt. Die fünftürige Schräghecklimousine ist das Ergebnis leichten künstlerischen Wagemuts, gepaart mit einem Schuss vorgegebener Eleganz. Im Gegensatz zum etwas zurückhaltenden, vielleicht auch bieder wirkenden, Design des Dauer-Konkurrenten VW Golf fallen besonders die knackig ausgestellten Kotflügel und die weit in die Horizontale gezogenen Scheinwerfer auf. Wobei diese jetzt auch mit aktivem Kurvenlicht und Tagfahrlicht versehen werden können.
Mit den 19 Zoll großen Leichtmetallrädern erhält der Astra noch einen Schuss zusätzlicher Sportlichkeit. Eine Linie, die auch vom coupéhaft anmutenden Heck mitsamt großer Klappe unterstrichen wird. Doch aller anmutige Anblicke taugen nichts ohne praktikablen Nutzwert. Vor allem nicht in dieser Klasse. Doch da haben die Opelaner ihre Hausaufgaben gemacht. Alle Türen öffnen weit zum bequemen Einstieg auf einen Sitz vom Feinsten, der sogar von der Aktion gesunder Rücken nachdrücklich empfohlen wird.
In der zweiten Reihe herrscht im Vergleich zu den Vorserien und zum aktuellen VW Golf außerordentliche Bein- und Kopffreiheit. Im Gepäckabteil stehen 370 bis 1235 Liter an Raum zur Verfügung. Erstaunlicherweise etwas weniger als beim Vorgänger, doch die hohe Variabilität des Autos, etwa mit einem zusätzlichen Ladeboden, bügelt das wieder aus. Zusätzlich bietet die Marke mit dem Blitz ein fest montiertes Fahrradträgersystem ab Werk an: Dabei nimmt eine unter der Stoßstange angebrachte Plattform mühelos zwei Räder oder eine Gepäckbox auf.
Am Nikolaustag ist Verkaufsstart, dann stehen acht Motoren zur Verfügung – je vier Benziner und Diesel. Bei den Benzinern besteht das Angebot aus zwei Motoren mit 100 PS (1,4 Liter Hubraum) und 115 PS (1,6 Liter Hubraum) sowie zwei Turbo-Aggregaten mit 140 und 180 PS. Die größere Bedeutung misst Opel allerdings den Dieselaggregaten zu. Geschätzt wird, dass die Hälfte aller künftigen Astra-Kunden sich für einen Selbstzünder entscheiden werden. Die Palette besteht hier aus drei Selbstzündern in vier Leistungsstufen. Die Motoren decken ein Leistungsspektrum von 70 kW/95 PS bis 118 kW/160 PS ab. Alle Aggregate verfügen über einen serienmäßigen Partikelfilter. Eines davon wird als extra sparsamer Motor unter dem ecoFlex-Siegel angeboten und steht ab Frühjahr 2010 bereit. Den Verbrauch gibt Opel mit 4,2 Litern auf 100 Kilometer an.
An das Fahrwerk sind die Ingenieure betont vorsichtig heran gegangen, muss man doch gerade beim Verhalten des Probanden auf der Straße und in allen möglichen Situationen ein breites Kundenspektrum bedienen. Was so viel bedeutet wie: Tu keinem weh und versuche zumindest, es allen recht zu machen. So fährt sich der Astra eben wie ein neues Auto in dieser Klasse: kommod, wohl erzogen und leichtgängig. Aber nicht eben revolutionär oder mit leichtem Schaukel-Effekt. Nimmt man dagegen die Konkurrenz aus Wolfsburg, fallen Unterschiede im Fahrverhalten, wenn überhaupt, nur ganz minimal aus. Gegen Aufpreis gibt es noch eine elektronisch einstellbare Dämpfung.
Was dem Rüsselsheimer Hoffnungsträger fehlt, sind ein paar pfiffige Details, die der Golf zu bieten hat: Motoren mit Direkteinspritzung, Start-Stopp oder (gegen Aufpreis) das Direktschaltgetriebe DSG etwa. Bleibt die Frage, ob dies wirklich am Kundenwunsch vorbei projiziert und produziert ist. Wahrscheinlich nicht, denn der neue Astra ist ein wohl gelungenes und hochwertiges Kompakt-Fahrzeug, das nicht nur nahe an der eigenen gehobenen Mittelklasse, sondern auch am Bruder im Geister aus Wolfsburg angesiedelt ist. Mit 18.000 Euro liegt der Basispreis in etwa auf Golf-Höhe.
Das alles spricht eigentlich nicht nur für einen guten Saisonstart, wenn in ein paar Wochen der heilige Mann mitsamt Knecht kommt, sondern auch dafür, dass die Opelaner gerade dann ein Auto zur Verfügung haben werden, das sich gut verkauft, wenn sie es am allernötigsten haben.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Jürgen C. Braun, Opel