Es ist nicht nur ein neues Auto, das Volkswagen mit diesem Unikum auf die Räder stellt. Nicht nur eine Weiterentwicklung eines Million-Sellers in einer Klasse, in der Polo, Golf, Passat oder wer auch immer, die Verkaufszahlen dominieren. Nein, der Amarok, den die Wolfsburger an diesem Wochenende mit viel Tamtam und Getöse beim GTI-Treffen am Wörthersee vor Zigtausenden ausgeflippter Fahrer präsentieren, ist ein Angriff auf die Platzhirsche im Segment der Pick-Ups. Denn was Volkswagen in die Hand nimmt und dann auf die Bänder stellt, das wurde nicht so en passant aus „Spaß an der Freude“ entwickelt, sondern hat einen ganz realen und durchdachten Hintergrund. Nämlich die eigenen Markpositionen entscheidend verbessern.
Bestes Beispiel sind die vielen Millionen, die das Haus in das „Unternehmen“ Dakar gesteckt hat. Der Touareg und der Dieselantrieb aus Wolfsburg, der der den „Race Touareg 2“ auf die höchste Stufe des Treppchens bei der weltweiten größten Offroad-Rallye lanciert hat, sind Begriffe für Wertigkeit, Zuverlässigkeit und Ausdauer-Belastung geworden. Mit ähnlichen Voraussetzungen wird jetzt am Wochenende der „Amarok“ der staunenden Auto-Welt präsentiert. Mit dem Amarok betritt Volkswagen, das in den vergangenen Wochen fast jede Marktlücke geschlossen hat, völliges automobiles Neuland. Auch das gibt es noch bei Europas größtem Automobilkonzern.
Mit dem rustikalen Pick-Up will Volkswagen vor allem die Märkte in Südamerika, Asien und Afrika besetzen und eine völlig neue Alternative anbieten. Ohne den Touareg als Wegbereiter und Botschafter in Sachen Zuverlässigkeit hätte es der neue Pick-Up aus Deutschland in der dritten Welt mit Sicherheit schwieriger. Im Herbst dieses Jahres kommt der Amarok auch nach Europa und soll alteingesessenen Produkten wie dem Ford Ranger, dem Mitsubishi L 200, dem Nissan Navara oder dem Toyota Hilux das Leben schwer machen. Mit dem Amarok kann Volkswagen fortan auf Märkten angreifen, auf denen die VWler bisher bestenfalls abwinken oder mit den Schultern zucken konnten.
Ein gemeinsames Projekt mit Toyota in den 90er Jahren einmal außer Acht gelassen, hat Volkswagen dieses Segment bisher in seinen Überlegungen nicht auf der Agenda gehabt. In Deutschland werden robuste mobile Wegbegleiter dieser Art kein Quell der finanziellen Überschwänglichkeit sein. Mit erwarteten jährlichen Neuzulassungen von rund 10.000 Einheiten ist der Amarok rein zahlenmäßig hierzulande eher eine Randnotiz. Doch dort, wo es sehr häufig über Stock und Stein geht, und das mit schweren Lasten, geht ohne solche Autos nichts: Die Länderorganisationen aus Südamerika, Australien oder Afrika waren es, die den VW-Vorstand vor etwa fünf Jahren endgültig dazu brachten, die Entwicklung eines solchen Fahrzeugs voran zu treiben.
Im Gegensatz zur Konkurrenz, die zumeist Dieseltriebwerke mit 2,5 bis 3,0 Litern Hubraum anbietet, begnügt sich der Amarok mit gerade einmal zwei Litern Hubraum. Damit die Leistung des zwei Tonnen schweren Pick-Ups dennoch stimmt, wurde dem Vierzylinder-Commonrail-Diesel wie auch beim T5-Transporter eine doppelte Turboaufladung verpasst. So leistet die stärkste Version 163 PS und hat ein maximales Drehmoment von 400 Newtonmeter ab 1500 Touren. Ein Einstiegsdiesel mit einfacher Turboaufladung und 122 PS soll im Herbst des Jahres folgen. Kostengünstig wird der Amarok da produziert, wo auch einer seiner wichtigsten Märkte liegen wird: in Südamerika. Je nach Ausstattung liegen die Preise zwischen 28.000 und 35.000 Euro.
Beim GTI-Treffen am Wörthersee an diesem Wochenende haben die Marketingstrategen des Hauses VW übrigens Peter Maffay als „Volkslied-Interpreten“ und wohl auch als Fahrer verpflichtet. Was zudem die Sorge unbegründet erscheinen lässt, dass eine bestimmte körperliche Mindestgröße Voraussetzung für den Erwerb des Fahrzeugs ist.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Volkswagen