Das Auto ist ungenutzt, fast niemand saß auf den Sitzen, hat sie verstellt oder zur Probe darauf gesessen. Nicht umsonst betrachten gerade wir Deutsche den Innenraum des Wagens als einen Teil des Zuhauses, zumindest als den „eigenen“ Bereich, in den Fremde nicht so einfach reinkommen. Man kann sich also die Enttäuschung vorstellen, wenn man erfährt, dass man in Wahrheit ein Ausstellungsfahrzeug gekauft hat. Ein Auto, in dem schon viele saßen, die Sonnenblenden geklappt oder in den Kofferraum geschaut haben. Kann man dann den Kaufpreis mindern?
Ein Fahrzeug, das als Ausstellungsstück beim Händler stand, darf nicht mehr als Neuwagen bezeichnet werden. Es ist schließlich nicht unbenutzt, selbst wenn es nicht probegefahren wurde. Man kann den Kaufpreis – etwas – mindern. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Amtsgerichts München vom 17. Dezember 2021 (AZ: 271 C 8389/21).
Autokauf: Ist ein Ausstellungsfahrzeug kein Neuwagen?
Ende 2019 kaufte die Klägerin einen Sportwagen mit einem Listenpreis von 61.788,90 € für 54.604,10 €. Der Pkw war bereits 2018 produziert worden und befand sich zur Zeit des Kaufes in einer anderen Niederlassung des Autoherstellers. Dort war der Wagen ausgestellt und konnte von Besuchern besichtigt werden. Zugelassen oder gefahren worden war das Fahrzeug nicht. Bereits nach einem Monat musste die Klägerin die Pannenhilfe in Anspruch nehmen, weil die Batterie defekt war. Zudem stellte sie Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen fest, etwa an den Einstiegsleisten.
Die Käuferin meinte, sie habe anstatt eines fabrikneuen ein gebrauchtes Fahrzeug erhalten. Der Wagen sei bereits benutzt und darüber hinaus auch beschädigt gewesen. Ihr sei gesagt worden, es handele sich um ein Lagerfahrzeug, das aus einer anderen Niederlassung überführt werden müsse. Dass es dort auch ausgestellt worden sei, habe sie jedoch nicht gewusst. Sie verlangte eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 5.000 €.
Die Beklagte war der Ansicht, es handle sich trotz der vorherigen Ausstellung des Pkws noch um ein Neufahrzeug. Es sei vorher nicht zugelassen gewesen. Es seien auch keine Probefahrten damit durchgeführt worden. Daher sei das Auto neu und kein Vorführwagen. Die beschädigte Batterie ersetzte die Beklagte bereits vor Prozessbeginn.
Der Richter am Amtsgericht München gab der Klägerin grundsätzlich recht. Er verurteilte den Automobilhersteller, im Wege der Minderung 1.000 Euro des bereits gezahlten Kaufpreises an die Klägerin wieder zurückzuzahlen.
Gericht: Neuwagen muss „unbenutzt“ sein – 1000 € Minderung
Der Pkw war eben kein Neuwagen. Ein Fahrzeug ist dann ein Neuwagen, wenn es unbenutzt ist, das Modell des Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen. Das Gericht ging davon aus, dass ein „unbenutztes“ Kraftfahrzeug nicht nur bedeutet, dass es – wie hier – noch nicht zugelassen bzw. noch nicht gefahren wurde, sondern dass auch keine anderweitige Benutzung stattfand. Andernfalls kann dies dazu führen, dass es nicht mehr als „unbenutzt“ im Sinne der Neuwagendefinition des BGH gilt.
Ganz anders ein Ausstellungsfahrzeug: Es wird von einer unbestimmten Anzahl von Personen innen und außen angefasst, Türen und Kofferraum werden vielfach geöffnet, es wird Probe gesessen, Sitze werden verstellt etc. „Ein Ausstellungsfahrzeug in einer Niederlassung eines Automobilherstellers unterliegt somit einer wiederholten körperlichen Nutzung und ist daher nach Überzeugung des Gerichts nicht mehr ungenutzt“, so der zuständige Richter.
Lediglich in der Höhe ihrer Forderung musste die Klägerin Abstriche machen: Die 5.000 € erschienen dem Gericht als zu hoch. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde (§ 441 Abs. 3 BGB). Das Gericht schätzte den Minderungsbetrag hier auf 1.000 €. In die Schätzung floss ein, dass einerseits „die Vereinbarung ‚Neuwagen‘ ein feststehender Begriff mit besonderer Relevanz beim Autokauf“ sei, andererseits jedoch „bei Vertragsschluss bereits ein erheblicher Abschlag vom Listenpreis gewährt worden“ war.