Je älter, desto besser: Das trifft auf erstaunlich viele Musiker*innen zu, die die jungen Jahre hinter sich gelassen haben, den gepflegten Rückzug aus dem Business mit einem Leben jenseits der Öffentlichkeit verbinden könnten, es dann doch nochmal wissen wollen – und für ein vorzügliches Hör-Erlebnis sorgen.
Jüngst so geschehen bei Tears For Fears: „Shout“ und „Everybody Wants To Rule The World“ sind nur zwei Songs, die noch im Ohr hat, wer in den Achtzigern auch nur ein klein wenig Aufmerksamkeit für die Charts hatte. Roland Orzabal und Curt Smith rockten zwar nicht die ganze Welt, aber eine mehr als ansehnliche Fangemeinde: 30 Millionen verkaufter Alben sind schon eine Hausnummer. Protagonisten des Synthie-Pop, Ohrwurm-Garanten, Tanzflächen-Abo – zu dieser Phase der Laufbahn fallen Hörerinnen und Hörern so einige Superlative ein. Zu Recht.
Inzwischen sind beide 60, ihre letzte Studioveröffentlichung liegt fast 18 Jahre zurück. Nun sind sie wieder da, und die Zeit ist nicht spurlos an ihnen vorübergegangen. Gekonnt produzierte Popmusik haben sie immer noch drauf, aber schon in den Titelsong fließt das hohe Maß an Lebenserfahrung aus fast zwei Jahrzehnten ein: Da geht es um Tod und Trauer anhand eigener Erfahrungen.
Die Stärken von damals spielen sie immer noch aus, mit einem Unterschied: „The Tipping Point“ ist nicht offenbar nicht unter finanziellem Erfolgsdruck entstanden. Dem Album ging die Trennung von früheren Management voraus. Übrig bleibt Freiheit, die Orzabal und Smith als Musiker nach eigener Aussage jetzt genießen. Übermäßig oft seien sie ohnehin nicht gleich einer Meinung, sagen sie sinngemäß – Unterschiede, die sich auf ihre Musik offenbar produktiv auswirken.
„The Tipping Point“ ist gewissermaßen bewährter Wein in neuen Fässern. Um beim Bild zu bleiben: Wer soliden, guten Wein schätzt, wird die Sorte in diesen Fässern sicher mögen. Ideal auch für die Musikanlage im Auto.
Tears For Fears: The Tipping Point. (Universal/Concord)