Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie viele Männer um die 50 ganz selbstverständlich Jeans tragen? Jenes Beinkleid also, mit dem man in den Siebzigern als Pubertierender den elterlichen Blutdruck so herrlich steigern konnte, ganz ohne Chemie – außer der, die vielleicht in den Fasern der Jeans verwendet worden war. Schon Farbe und Waschung standen für Rebellentum. Wer jenseits der 30 noch ernst genommen werden wollte, hatte damals Zwangsjacke und -hose in einem. Beides musste aus Stoff sein.
Vorbei, Geschichte, passé. Der Imagewandel der Jeans passt aber zu dem Phänomen, das Maxim Leo und Jochen Gutsch beschreiben. Und er steht für den demografischen Wandel in der Gesellschaft. Menschen werden – bei guter Gesundheit und etwas Sorge dafür – im Durchschnitt viel älter als noch vor 30 Jahren. Trotzdem: Nicht alle spürbaren Prozesse des Älterwerdens lassen sich aufhalten. Für dieses Spannungsfeld haben Leo und Gutsch ein wunderbares Wort gefunden: die Alterspubertät.
Schnödes Beispiel: Um eine Lesebrille kommt man als Mittvierziger oft schon nicht mehr herum. Der Augenarzt nennt das – brutal, aber medizinisch korrekt – die Alterssichtigkeit. Lässt man sie angemessen via Sehhilfe korrigieren, d.h. findet man sich souverän mit der Diagnose ab, sieht künftig auch das Kleingedruckte wieder lesbar aus und nicht mehr nur wie ein Fliegendreck.
Alterspubertät meint also die Zeit zwischen dem Kein-Jungspund-Mehr-Sein und dem Rentenalter, wobei wir uns bei letzterem an die gesetzlichen Festlegungen halten können zwecks Definition. Rund 25 Jahre Zwischenzeit also.
Die Autoren schaffen es, diese Zwischenzeit brüllend komisch zu beschreiben. Und wer dem Ich-Erzähler dabei hilft … das sollten Sie schon selbst entdecken, es zu verraten, würde den Lesespaß a priori vermindern. Nur so viel sei ausgeplaudert: Ich, Jahrgang 1966, war völlig verblüfft, was der Markt inzwischen so an Möglichkeiten hergibt, diese 25 Jahre auszufüllen. Wenigstens die Freizeit, denn berufstätig ist man in der Regel ja dann noch. Kurse (allein spirituell geprägte würden in der Aufzählung den Rezensionsrahmen sprengen), Korrekturangebote fürs Aussehen (da herrscht vielleicht inzwischen sogar weit mehr Gleichberechtigung als in anderen Gesellschaftsbereichen) … und … und … und.
Zugegeben, eine Diagnose wie die Alterssichtigkeit hat erst mal etwas gar sehr Uncharmantes. Wie man so eine Erkenntnis um die neue Lebensphase positiv ummünzt, also aus der unvermeidlich geschenkten Zitrone Limonade macht, lässt sich hier vorzüglich lernen. Und die Alterspubertät hat im Unterschied zur jugendlichen Variante einen entscheidenden Vorteil: Während der Schritt ins Erwachsenenleben naturgemäß nicht von Harmoniesucht geprägt ist, behält das Alterspubertier die Harmonie mit der Umwelt sehr wohl im Blick.
Maxim Leo/Jochen Gutsch: Es ist nur eine Phase, Hase. Ein Trostbuch für Alterspubertierende. Ullstein Verlag; 12 Euro.