Keine Frage, irgendwann fahren wir – zumindest nach heutigem Stand der Forschung – zum großen Teil elektrisch. Bis das aber soweit ist, ist sich Frédéric Lissalde sicher, wird der Verbrenner noch lange auf unseren Straßen unterwegs sein, sei es als alleiniger Antrieb oder in der Hybrid-Kombination. Und genau deshalb muss er noch effizienter werden! Daran arbeitet Lissalde, der beim Zulieferer BorgWarner für die Turbolader zuständig ist. Durch die künstliche Aufladung kann immer kleineren Motoren immer mehr Leistung entlockt werden – bei gleichzeitig geringerem Spritverbrauch; zumindest solange der Fahrer nicht ständig Vollgas gibt. Schon heute werden rund 42 Prozent aller Benziner und Diesel von einem Turbo zwangsbeatmet, in zehn Jahren wird der Anteil bei 55 Prozent liegen, schätzt Lissalde.
Die Turboaufladung selbst ist allerdings auch nicht der alleinige Heilsbringer, vor allem bei niedrigen Drehzahlen haben die Schaufelräder schlichtweg Probleme, den nötigen Druck zu erzeugen. Hier kommt die Elektrifizierung ins Spiel, die natürlich auch bei BorgWarner – Verbrenner hin oder her – ganz oben auf der Agenda steht: Ein elektrisch betriebener Kompressor, der E-Booster, soll die Aufladung bei niedrigen Touren übernehmen, bis der Turbo voll einsatzbereit ist. Ganz neu ist die Technik nicht, Audi beispielsweise greift auf ein vergleichbares System von Valeo bereits in der Serienproduktion zurück und macht damit dem SQ7 Beine. Doch die Marketingstrategen von BorgWarner sind sich sicher, dass auch ihre Lösung ihren Platz auf dem Markt finden wird. Ab 2020, so Lissalde, wird der E-Booster im großen Stil in unseren Autos zu finden sein; sein Debüt gibt die Technik des amerikanischen Zulieferers demnächst in der überarbeiteten S-Klasse von Mercedes in Kombination mit Daimlers neuen Reihensechszylinder.
Um richtig effizient zu arbeiten, braucht der E-Booster allerdings ein 48-Volt-Bordnetz. Zwar läuft der Kompressor auch mit 12 Volt, dann kann er allerdings weit weniger Kraft beisteuern. Mit der vierfachen Spannung kommt der Kompressor dagegen in 0,27 Sekunden auf 70.000 Umdrehungen und schickt bis zu fünf Kilowatt in den Antriebsstrang. Das sorgt gleichermaßen für eine Entlastung des Verbrenners – bis zu zehn Prozent Sprit sollen sich dadurch sparen lassen – als auch für mehr Fahrspaß. Der Motor des zu Testzwecken mit dem E-Booster ausgerüsteten Audi Q5 spricht deutlich direkter an, das Turboloch verabschiedet sich endgültig in die Geschichtsbücher und alle Schaltfaulen können auch im hohen Gang aus den Vollen schöpfen.
Ist die 48-Volt-Technik erstmal im Auto, lässt sich das System auch für weitere Zwecke nutzen. Zum einen kann damit ein Mild-Hybrid-System realisiert werden, das den Verbrenner je nach Bauart entweder nur unterstützt, oder sogar kurzfristig alleine für den Vortrieb sorgt. So lässt sich beispielsweise rein elektrisch Einparken oder Rangieren. Der Vorteil der 48-Volt-Technik liegt dabei in der relativ kleinen, und damit günstigen Batterie. Lissalde ist sich deshalb sicher, dass der 48-Volt-Hybrid in nächster Zeit ziemlich schnell Verbreitung finden wird. Zumindest in Europa und in Asien; der große Anteil an schweren SUV und Trucks in den USA spricht dort eher für den kräftigeren Hochvolt-Hybrid.
Ein anderer Einsatzzweck ist die elektrifizierte Achse. Damit lässt sich zum Beispiel aus einem frontgetriebenen Fahrzeug mit relativ geringem Aufwand ein Allrad-Auto machen oder ein bestehendes Allradsystem optimieren. BorgWarner demonstriert das Potenzial an einem A6: Der Prototyp schickt zwar ab Werk schon einen Teil seiner Kraft nach hinten, durch die Elektrifizierung im Heck kann das Drehmoment allerdings gezielter verteilt und durch das sogenannten Torque-Vectoring spürbar Einfluss auf das Fahrverhalten genommen werden. Je nach Kundenwunsch kann das System die Agilität steigern und den A6 so handlich wie einen S3 machen, oder aber man trimmt den Antrieb auf Sicherheit; dann liegt der Audi satt und stabil auf der Straße und weicht auch in noch so flotten Kurven kaum von der vorgegebenen Linie ab. Zusätzlich punktet auch die elektrische Achse mit Spritsparpotenzial, je weniger Kraft der Verbrenner nach hinten schicken muss, desto weniger Öl verbrennt er schließlich. Anders als für den E-Booster kann BorgWarner für die elektrifizierte Hinterachse zwar noch keine Serienproduktion melden, doch spätestens wenn der erste Autobauer mit dem Prototypen unterwegs war, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis das System in der Preisliste steht.
Text: Michael Gebhardt/SP-X
Fotos: BorgWarner