Buchtipp – Jodl: Grammatik der Rennpferde

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Rund 30 Jahre ist es her, dass ein Kommilitone mich um Nachhilfe in Deutsch bat. Woher Hussein, so hieß er, stammte, daran erinnere ich mich nicht mehr. Nach wenigen Wochen studierte er an einer anderen Universität weiter. Nachhilfe – kein Problem, dachte ich, für mich, den Studenten der Germanistik und Muttersprachler des Deutschen.

Da hatte ich mich gründlich getäuscht. Wann immer Hussein und ich eine Regel der deutschen Sprache mit Übungen veranschaulichen wollten, tat sich wie aus heiterem Himmel eine Ausnahme auf. Und ich, der ich damals ernsthaft mit dem Lehrberuf sympathisierte, hatte einen guten Grund, über diese Option nochmals kritisch nachzudenken.

Meine Erfahrung mit Husein, 30 Jahre her, ist für Angelika Jodl Alltag. Sie unterrichtet Deutsch als Fremdsprache. Das tut auch Salli, eine Hauptfigur in ihrem Roman Die Grammatik der Rennpferde. Salli ist zwar kompetent in ihrem beruflichen Tun, allerdings ansonsten nicht allzu lebenstüchtig, und eine Extraportion Selbstbewusstsein hätte sie bitter nötig. Insofern dürfte Salli übers Berufliche hinaus kaum als Alter ego ihrer Schöpferin Jodl verstanden werden.

Auch dass Sergey in Sallis Leben knallt, hat erst mal rein pragmatische Gründe: Er will ein Rennpferd kaufen in Deutschland, was nonverbal ja schlecht möglich ist. Also sucht er Sallis Hilfe – nur die paar Wörter, die er für die Abwicklung des Handels braucht, sollen es werden. Und es wird dann doch etwas ganz anderes.

Die deutsche Sprache ist keine einfache – kaum ein Thema ist derzeit wohl aktueller. Trotzdem ist sie reizvoll, und das zeigt Angelika Jodl, indem sie eine schüchterne Sprachlehrerin mit einem stoischen Russen zusammenbringt. Das ist skurril, spannend, vergnüglich – und vor allem lehrreich, ohne zu pädagogisieren.

Nicht zuletzt steht dieses Buch in der Tradition anderer Liebeserklärungen an die deutsche Sprache. Jedem Kapitel stellt die Autorin ein Zitat über diese voran und besonders gut passt dazu eine der zitierten Liebeserklärungen in Buchform: Judith Macheiner, die mit Das grammatische Variété 1991 Furore machte.

Angelika Jodl: Die Grammatik der Rennpferde. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 14,90 Euro.

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