Bahnbrechend musste der neue BMW sein. Ein potenter PS-Palast, der Prestige, Prunk und Power im Überfluss bot. Nur so, glaubten die Münchner vor einem Vierteljahrhundert, könne ihr neuer Klappscheinwerfer-Keil mit dem Typencode 850i die versammelte Konkurrenz deklassieren und die blau-weiße Marke in höhere Sphären beschleunigen. Dort oben, in der automobilen Elite, sollte das seit 1945 erste deutsche Sportcoupé mit 220 kW/300 PS starkem V12-Motor vollenden, was der BMW 750i zwei Jahre zuvor begonnen hatte. Bayrische Führungsansprüche anmelden, BMW als neuen Boss unter den Luxusherstellern präsentieren. Dies durch überlegene Dynamik, avantgardistisches Design und eine Vielzahl wegweisender Innovationen.
Seine Weltpremiere feierte der BMW 850i denn auch auf der Frankfurter IAA 1989, der damals global wichtigsten Neuheiten-Showbühne für Autos, deren Namen Respekt einflößten und die zugleich als unerschwinglich galten. Unbezahlbar allerdings nur in den Augen der Durchschnittsverdiener, denn für den 135.000 Mark teuren BMW 850i meldeten Medien nach Messeschluss unglaubliche 30.000 Vorbestellungen. Fast vier Jahre sollten demnach die anfänglichen Lieferzeiten betragen, hatte doch BMW anlässlich der Pressevorstellung zunächst eine Planung von etwa 8.000 Coupés jährlich mitgeteilt und eine Produktionserweiterung auf bis zu 10.000 Einheiten. Tatsächlich erfüllte der BMW 850i anfangs fast alle Absatzerwartungen – obwohl sich die Nachrichten über die 30.000 Vorbestellungen als falsch herausstellten. Genau so falsch waren jedoch spätere Bewertungen, die den BMW 8er zum Flop verurteilten. Brachte es die Baureihe mit dem Code E31 doch insgesamt auf 30.621 Coupés, wozu ab 1993 auch ein Achtzylinder-Triebwerk beitrug. Ein beachtliches Ergebnis für Luxuscoupés, die der normalen Autowelt entrückt sind, dafür ihre Marke noch begehrlicher machen sollen.
Eine Mission, die dem BMW 850i von seinen Machern Wolfgang Reitzle (Entwicklungsleiter) und Claus Luthe (BMW-Designchef) beim 1984/85 erfolgten Projektlaunch in die Wiege gelegt worden war. Mit dem 8er hatte BMW deshalb ab 1989 einen exklusiven Zweitürer im Programm, der nicht nur die Nachfolge legendärer Vorfahren wie des 503 Coupés von 1955, des 3200 CS von 1961, des 2000 CS von 1965 und des 6er Coupés von 1976 antrat, sondern der auf Augenhöhe der weltweit feinsten Insignien von Speed und Luxus fuhr und dennoch Stückzahlen machte. Letzteres war nämlich zumindest den BMW V8 der frühen Nachkriegsjahre verwehrt geblieben. Dagegen nahm es das neue V12-Coupé im Spätsommer 1989 erfolgreich auf mit so unterschiedlichen Rivalen wie Mercedes-Benz 500 SL und 560 SEC, Porsche 928, Aston Martin Virage, Cadillac Allanté, Ferrari Mondial und dem einzigen, wenn auch altgedienten V12-Gran-Turismo, dem Jaguar XJS.
Mit Avantgarde statt altehrwürdiger Noblesse, vor allem aber mit technischer Perfektion begeisterte der hochpreisige BMW 850i das finanziell potente Premierenpublikum. Da spielte es keine Rolle, dass der 4,78 Meter lange Zweitürer beladen satte 2,2 Tonnen auf die Waage brachte und laut Norm im Stadtzyklus über 20 Liter konsumierte. Im Gegenteil, andere wie etwa der Porsche 928 waren noch deutlich durstiger. Bei 250 km/h wurde die Vmax des BMW abgeregelt, eine damals in der Öffentlichkeit noch diskutierte freiwillige Limitierung, die weniger von Selbstbeschränkung kündete, als von Souveränität. Waren doch etwa der Mercedes 560 SEC nur 240 km/h schnell und der Jaguar V12 gerade 238 km/h. Wer mit dem 8er reinrassigen Supersportlern wie Lamborghini Countach und Ferrari Testarossa den Auspuff zeigen wollte, für den hatte Alpina ein Angebot in petto. Der Alpina B12 5.7 brachte es auf 310 kW/416 PS und 300 km/h Vmax, blieb mit 57 Einheiten jedoch eine bis heute begehrte Rarität.
Nicht mit Tempo, sondern mit „More Smiles per Hour“, sollte der 8er in der BMW-Werbung betuchte Kunden in die Upper Class locken. Bewirken sollten das Grinsen Technik- und Komfortinnovationen wie das eigens für den 850i entwickelte manuelle Sechsganggetriebe (Automatik gab es als Option), die automatische Stabilitäts- und Traktionskontrolle, geschwindigkeitsabhängige Servolenkung und die ab 1990 angebotene Option der sogenannten elektronischen Dämpfer Control (EDC), nicht zu vergessen die mitlenkende Hinterachse. Neu waren auch automatisch abblendender Innenspiegel, elektrisch verstellbare Lenksäule, sitzintegrierte Sicherheitsgurte und die für ein Hardtop-Coupé außergewöhnlichen automatischen absenkenden und anhebenden vorderen Scheiben bei Betätigung der Türen. Die Folge waren deutlich reduzierte Windgeräusche, sonst bei rahmenlosen Scheiben auch in der Luxusklasse noch ein Problem.
Als nach zwei guten Anfangsjahren die Verkaufszahlen nachgaben, bewirkte der BMW neue Begehrlichkeit, als 1992 das Antriebsportfolio um eine zweite Ausführung des Zwölfzylinders erweitert wurde. Aus seinem auf 5,6 Liter vergrößertem Hubraum entwickelte der neue Toptyp 850 CSi nun 280 kW/381 PS und ein damals spektakuläres Drehmoment von 550 Newtonmetern. Wenig mehr als fünf Sekunden genügten jetzt für den Sprint auf Tempo 100, noch schneller hätte es nur der M8 gemacht, für den der neue Motor zunächst vorgesehen war. 1991 hatte BMW ein Cabriolet und ein M8 Concept Car entwickelt, aber nicht öffentlich gezeigt. Gleichwohl verriet eine Pressemitteilung, dass die neue V12-Maschine im M8 für 500 PS gut sei. Leistungsüberschuss dieser Liga konnte das Hochleistungsaggregat wenigstens im seinerzeit schnellsten Supercar der Welt entfalten, dem McLaren F1. Diesen katapultierte der stärkste V12 sogar zum Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans.
Die seit jeher leistungshungrigen Amerikaner freuten sich aber auch schon über den starken 850 CSi, nachdem die deutschstämmigen Stars der Superlative Siegfried & Roy bei ihrer Show in Las Vegas die weißen Tiger auf dem Dach eines 8ers drapiert hatten. Was die damals weltweit höchstbezahlten Showstars fuhren, wollten sich auch andere Wohlhabende gönnen. Sei es als 850i, 850 CSi oder 850 Ci. Weniger allerdings mit V8-Maschine in Form des 840i/Ci. Ein angedachter BMW 830i blieb deshalb nur Concept. Dafür inspirierte der 850 CSi den britischen Künstler David Hockney zu einem neuen BMW Art Car mit aufgetragener Fahrersilhouette und dem Dackel des Künstlers auf der hinteren Seitenwand des Coupés.
Mitte der 1990er Jahre drohte dem Münchner Zweitürer erstmals Konkurrenz aus Ingolstadt. Dort präsentierte sich der neue Audi A8 als Coupé, allerdings blieb es bei viel beachteten Showcars eines Karossiers. Branchenkenner meinten, der relative rasche Nachfrageknick bei den Verkaufszahlen des BMW 8er habe Audi nachdenklich gestimmt. So überlebte der 8er als einer der letzten Vertreter der inzwischen vergangenen Klappscheinwerfermode. Bis er sich 1999 still und leise aus den Lieferverzeichnissen schlich. Ein neues großes Coupé lancierte BMW erst 2003 mit dem 6er, in das Segment der Superwagen wagten sich die Bayern aber erst wieder mit dem aktuellen i8. Ein ebenso dynamischer wie teurer Technologie-Tempel, der mit alternativen Antrieben fortsetzt, was der 850i einst mit der Macht der V12 begonnen hatte: BMW in der Liga des Luxus noch fester verankern. Und das lassen sich die Bayern einmal mehr etwas kosten.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: BMW/SP-X