Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Stimmen Sie sich in diesen Tagen mit ihrem Konsum-Verhalten vor dem Bildschirm auch schon einmal ein für Juni und Juli? Drei Stunden hinkt unsereiner derzeit hinter der aktuellen „Sotschi-Zeit“ hinterher. Im Sommer, wenn sich die weltbesten Kicker in Brasilien zur „Copa mondial“ versammeln, sind wir den Südamerikanern dann wieder ein paar Stunden voraus. Aber, dank der Herren Sponsoren und Geldgeber werden die Duelle zwischen Rio, Sao Paulo und Manaus zu einer konsumenten-freundlichen Zeit angepfiffen, wenn in Mitteleuropa früher Abend ist und in Südamerika tropische Mittagshitze herrscht.Aber Geld regiert nun mal bekanntlich auch die (olympische) Welt. In etlichen Werbespots rund um die Übertragungen von der Schwarzmeer-Küste und aus dem Kaukasus machen auch führende Automobil-Hersteller auf sich aufmerksam. Und auch der große Verlautbarungsmechanismus von Wolfsburg bis nach München klappt: Alleine der Volkswagen-Konzern hat 4.000 Fahrzeuge aller Marken derzeit bei Olympia im Einsatz und ist zudem mit einem eigenen Pavillon und Testimonials wie Stargeigerin Vanessa Mae vor Ort. Aus den Presseabteilungen der Hersteller tickert es fleißig über das hohe Engagement im Dunstkreis „unserer“ Athleten. Auf dass schließlich auch ein wenig vom goldenen Glanze auf die Produkte (auto)mobiler Ingenieurskunst fallen möge.
Von der einst so rührigen wie ruhmreichen russischen Automobil-Geschichte ist (leider) heutzutage beim Weltfest des Wintersports in der ehemaligen Sowjetunion nichts mehr zu sehen. Als im Jahr 1980 in Moskau (vom Westen wegen des russischen Afghanistan-Einmarsches boykottierte) olympische Sommerspiele stattfanden, war das alles noch ganz anders. Partei und Sowjet-Regierung nutzten das mediale Interesse dieser Tage, um die sozialistischen Errungenschaften im Vergleich zur kapitalistischen Konsum-Dekadenz aller Welt vor Augen zu führen. Und das in vielfältiger Hinsicht.

Lada, das auch heute noch einen Marktanteil von etwa 20 Prozent in Russland hat, war damals für den Transport von Athleten, Funktionären und Berichterstattern verantwortlich. Im Straßenbild der russischen (oder damals noch sowjetischen) Metropole gehörten eben so robuste wie hässliche Moskwitsch-Pkw und Lkw zum gewohnten Straßenbild. Technisch längst in die Jahre gekommene Fahrzeuge, über die sich damals die Sowjet-Bevölkerung insgeheim genau so heimlich lustig machte wie unsereins im Westen über den armen Trabi. Nun war nicht zu erwarten, dass dieser Tage ausgerechnet im mondänen Schwarzmeer-Badeort Sotschi, der so etwas wie das Nizza des „kapitalistischen Sozialismus“ ist, explizit auf die Historie der einst ruhmreichen russischen Automobil-Produktion hingewiesen wird. Stattdessen beglückt uns nun Marussia Motors mit anfälligen Supersportwagen und als „Schlusslicht“ in der Formel 1. Ein wenig traurig bin ich als „Fast-Sohn“ der Geburtsstadt von Karl Marx über diesen Niedergang schon.

Und außerdem: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder als Olympia-Promi im Moskwitsch vorgefahren: Das hätte doch auch was gehabt!

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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