Buchtipp der Woche (1)

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Theodor Much: Der große Bluff. Irrwege und Lügen der Alternativmedizin. Goldegg Verlag; 19,95 Euro.

Wer sich krank fühlt, hat zu diesem Problem gleich ein weiteres: Wohin soll er sich wenden? Allgemeinmediziner, Fachärzte und Heilpraktiker in großer Zahl üben nicht immer schlichtweg ihren Beruf am Patienten aus, sondern werben geradezu um Kunden, bisweilen recht offensiv. Mediale Schreckgespenster über die Schädlichkeit von diesem und jenem Nahrungsmittel oder Medikament im Stil von Alarm: Das Schmerzmittel XXX kann tödlich sein – im Zeitalter der digitalen Medien erscheinen fast täglich neue davon – tun ihres dazu, die Menschen zu verunsichern. Außerdem schaffen Krankheiten Märkte – am robusten Typus, der zwei Mal im Leben eine Erkältung hatte und sonst keine Beschwerden, lässt sich kaum was verdienen. Gute Voraussetzungen also für ein breites Angebot an Heilmethoden, das der Laie gar nicht mehr auch nur ansatzweise überblicken kann. Theodor Much, langjähriger Hautarzt und Buchautor, untersucht die Vielfalt der Angebote und bewertet sie.

Das Ergebnis nimmt, genau gesehen, schon der Titel vorweg: Nahezu alles, was er als Alternativmedizin versteht, hält seinem kritischen Blick nicht stand. Mit klaren Worten zeigt er auf, wie unseriöse Geschäftemacher (er nennt sie Pseudomediziner) Heilerfolge versprechen, die nicht zu halten sind und deren Beschreibung durch unsachgemäße Verwendung von Begriffen aus den Naturwissenschaften (Magnet, Energie, Feld) zustande kommt. Impfgegnern widmet er ein sehr lesenswertes Kapitel, und dass seriöse Medizin sich immer um ein Höchstmaß an Transparenz bemüht, ist naheliegend. Wer sich also weigert, dem Patienten seine Behandlungsformen zu erklären, darauf verweist, man dürfe ruhig allein auf die Erfahrung des Heilberufenen vertrauen und möge sich weitere Fragen verkneifen, ist höchstwahrscheinlich ein Bluffer im Sinne von Theodor Much.

So weit, so gut. Und doch wirkt es, als stünde alles, was sich Naturheilverfahren nennt, hier unter Generalverdacht. Zwei Beispiele: So kommt auch die Akupunktur, wenn sogar von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt (bei bestimmten Schmerzformen), nicht gut weg. Das seit fast 30 Jahren umstrittene Amalgam als Zahnfüllung wird als quasi unbedenklich eingestuft.

So stellen sich nach der Lektüre des zweifellos informativen und pointiert geschriebenen Buches einige Fragen: Den Mediziner, der sein Fach beherrscht, aber dem Patienten schlichtweg den Dialog verweigert oder Fragen allenfalls mit hochmütig-spöttischen Scherzen beantwortet, gibt es auch im hart umkämpften Gesundheitswesen bis heute noch – was bleibt dem Patienten da übrig außer der Suche nach einem anderen Weg zur Gesundheit? Und: Manches, was gestern noch umstritten war, kann morgen schon hoffähig sein. Das gilt für Operationsverfahren (der Erfinder des Herzkatheters, heute ein medizinischer Goldstandard, sah sich seinerzeit bösen Anfeindungen der Kollegen ausgesetzt), galt lange Zeit für Ernährungsfragen (Essen Sie ruhig, was Sie wollen, das hat mit Ihrem Rheuma nichts zu tun) – und könnte durchaus auch für Naturheilverfahren gelten.

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