Liebe Leserin!
Lieber Leser!
hätten Sie‘s gewusst, wenn sie nicht vielleicht durch Meldungen aus Zeitung, Rundfunk oder Fernsehen darauf aufmerksam gemacht worden wären: Der Donnerstag der zu Ende gegangenen Woche, war der Tag der Muttersprache. Nun ist es ja mittlerweile so, dass derlei Gedenktage in einer wahren Flut unnötiger Anhäufung auf uns hernieder prasseln. Für alles gibt es einen Tag: den Tag des Baumes, den Weltnierentag, den Welttag der Invaliden und zeitgleich mit dem Tag der Muttersprache feierten die Nordfriesen am Donnerstag auch noch den Tag des Biikebrennens. Ob dieser seltsame Brauch, unter dem ich mir leider nichts vorstellen kann, auf den friesischen Nationalheiligen Otto Waalkes zurück geht, ist mir auch gänzlich unbekannt.
Doch bleiben wir einmal beim Tag der Muttersprache. Von den rund 6000 Sprachen, die heute noch gesprochen werden, ist nach einer Einschätzung der Unesco etwa die Hälfte vom Aussterben bedroht. Ob damit nun wirklich eigenständige Sprachen, oder auch Dialekte, die von Dorf zu Dorf schon verschieden sein können, gemeint sind, geht aus dieser Studie leider nicht hervor. Tatsache ist jedoch, dass mir zu diesem Anlass der Kauf meines ersten Autos wieder in den Sinn kam. Das sind mittlerweile 41 Jahre her, und der Verkäufer war das, was man wohl im Allgemeinen einen Schlawiner nennt. Nicht, dass er es aufs Betrügen abgesehen hätte, aber er war mit einer gehörigen Portion Bauernschläue ausgestattet und wusste seinen eigenen finanziellen Vorteil sehr wohl mit dem des Kunden zu verbinden. Um es einmal ganz vorsichtig aus zu drücken.
Mein erstes Auto war ein VW Käfer, Baujahr 1959, drei Jahre nach dem Ende des Brezelkäfers. Den hatte ich mir auch schon vorher ausgeguckt, weil er der Preiswerteste war. Nebendran stand ein Fiat 127 Coupé, der machte natürlich ganz was anderes her, überstieg aber mein Budget beträchtlich. Aber der Hugo, so hieß der Verkäufer, wollte mir nun unbedingt den chicen Italiener andrehen. Ohne Hohlraumversiegelung damals noch, aber das wusste ich mit Anfang 20 noch nicht. Jedenfalls verfiel der Hugo, um quasi eine linguistische Verbindung zweier gleicher Seelen zu schaffen (glaubte er) in den Dialekt unserer Hochwälder Heimat. Und aus dem höflich-distanzierten „Sie“, das wir bis dahin gepflegt hatten, wurde das kumpelhafte „Du“. Und ich, dem er ja was verkaufen wollte, war plötzlich „sein Jung“. Eine Zeitlang schwankte ich schon und ich wollte mich mal mit dem Fiat beschäftigen, weil der ja „für Einen wie Deisch ganz watt Anneres hergefft“. Das gewichtigste Argument glaubte er gleich noch hinterher schicken zu können: „Watt meinste, wat die Mädcha do gucken.“ Da merkte ich dann schon die Macht der Sprache und wie man mit Sprache manipulieren kann. Etwas, was mich an meinem Beruf übrigens heute noch immer fasziniert.
Um es vorweg zu nehmen: Es blieb dann doch beim VW Käfer Jahrgang 1959 mit 6-Volt-Batterie hinten rechts unter dem Beifahrersitz für 700 Mark. Mein zweites Auto war dann jedoch wirklich ein Fiat. Aber kein 127 Coupé, sondern ein 128. Aber auch der machte natürlich was her. Für Einen wie mich, versteht sich!
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun