Musik-Tipp – Faithfull/Ellis: She Walks In Beauty

Lord Byron, Alfred Tennyson, Percy Bysshe Shelley: Eine Liste, die so beginnt, könnte aus dem Englischen Seminar einer Universität stammen, wo im Grundstudium verschiedene Werke genau dieser Dichter behandelt werden. Dort bereiten sie den Studierenden Kopfzerbrechen, aber die müssen durch eine solche Pflichtveranstaltung einfach durch.

Kommt aber Marianne Faithfull ins Spiel, wird aus der Pflicht ganz schnell eine Kür. Die fast 75-jährige Sängerin hat aus den Werken ihrer Lieblingsdichter ihr 22. Studioalbum gezaubert. Und das muss man genau so sagen, denn durch eine COVID-19-Infektion hing ihr Leben 2020 am seidenen Faden. Als sie, einigermaßen genesen, zurück nach England zog, in die Nähe von Sohn und Enkel, sichtete sie zuvor ihren immensen Buchbestand. Damit war das Thema für ein eventuelles neues Album klar.

Nun ist es da, und einmal mehr macht Faithfull etwas Neues: Sie singt nicht, sie rezitiert. Unterlegt werden die Texte von Warren Ellis, Mitglied der Band „Nick Cave & The Bad Seeds“. Faithfulls Stimme hört man die Strapazen der letzten Monate an. Zu den Gedichten passt sie dadurch sehr gut, so eigenartig die Feststellung vor einem solchen Hintergrund ist.

„She Walks in Beauty“ könnte ihr letztes Album sein, sagt Faithfull selbst. Wenn ja, ist es ein würdiger Abschluss einer Karriere, die bis heute ohne Beispiel ist. Bekannt geworden als schmückendes Beiwerk von Mick Jagger, nach zeitweisem Leben ohne festen Wohnsitz mit „Broken English“ zu einem fulminanten Comeback gelangt, trotz jahrzehntelanger Drogenabhängigkeit (bis Mitte der 80er) seitdem anerkannte Größe im Rock-Business mit Highlights wie „Strange Weather“ und vielen anderen, zuletzt „Negative Capability“, dazu spätestens seit 2006 in ihrer Rolle als „Irina Palm“ auch als Schauspielerin etabliert. Diese Frau braucht längst niemanden mehr, in deren Schatten sie berühmt wird.

Marianne Faithfull/Warren Ellis: She Walks In Beauty. (BMG Rights)

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