Wäre so eine Story heute noch möglich? Misha Schoeneberg, der selbst in Rio Reisers Kommune gelebt hat, zeichnet in einem Roman den Weg von Ralph zu Rio nach. Politisierte Zeiten, fette Schlagzeilen – ja, das Wort „Kommune“ beschreibt das Zusammenleben der Band sicher sehr gut. Allerdings ohne den Beigeschmack des Faulenzens, den das Wort so oft hat. Denn Ton Steine Scherben haben nicht nur Songs aufgenommen, sondern sich auch selbst um Produktion und Verkauf gekümmert. Im Jahr der Bandgründung war ein Mann Bundeskanzler, der mit dem Slogan „Mehr Demokratie wagen“ sein Amt angetreten hatte. Im Jahr der Bandauflösung wurde in Hessen ein Mann Umweltminister, der zu seiner Vereidigung in weißen Turnschuhen erschien: 1971 Willy Brandt, 1985 Joschka Fischer – es war schon ein gutes gesellschaftliches Klima, um als Rio Reiser zu reüssieren.
Nein, eine Story wie die von Ton Steine Scherben wäre heute kaum mehr vorstellbar. Umso spannender ist zu lesen, was Misha Schoeneberg aus dieser Story macht. Vergessen sind weder die Band noch ihr langjähriger „Mastermind“: Einem ganz großen Publikum wurde Ralph alias Rio erst Solo bekannt. Als „König von Deutschland“ – stilistisch war er nicht nur mit seinem bis heute wohl bekanntesten Hit dann doch seiner Ex-Band treu geblieben. „Lass uns ein Wunder sein“ gehört zu deren bekanntesten Titeln. Ja, sie waren tatsächlich eines.
Misha Schoeneberg: Als wir das Wunder waren. Ein Rock’n’Roll-Märchen. Jaron Verlag; 18 Euro.