Buchtipp – Wader: Trotz alledem

"Seit meiner Kindheit liege ich mit der mich umgebenden Wirklichkeit über Kreuz und hätte gern eine andere." Knappe Sätze von bestechender Klarheit sind charakteristisch für dieses Buch. Manchmal erinnert es an Bücher wie "Schiffsmeldungen". Tatsächlich sind deren Autorin Annie Proulx und Hannes Wader in gewisser Weise Seelenverwandte.

Waders obige Feststellung kann aber auch als Motor eines umfangreichen Schaffens gedeutet werden. Fast unzählige Langspielplatten hat er veröffentlicht, sein bekanntester Titel „Heute hier, morgen dort“ hat längst Volkskliedcharakter. Andere Volkslieder hat er neu interpretiert und vom Image des Verstaubten, Gestrigen befreit. Natürlich ist er aber vor allem ein politischer Liedermacher geblieben. Seine letzte Tournee hat er 2017 absolviert. Nach Jahren „aus dem Koffer“ machte sich, das hat er selbst eingeräumt, dann doch das Alter bemerkbar.

Über das Leben des 1942 Geborenen war bisher nicht allzu viel wirklich bekannt. Das ändert er mit seiner Autobiographie auch nur bedingt. Wie bei den kürzlich hier vorgestellten Erinnerungen von Elton John gilt auch hier: Genüsslicher Klatsch und gehässiger Tratsch sind Waders Sache nicht. Vielmehr stellt er seine Lebensgeschichte konsequent in Zusammenhang mit seinem musikalischen Werk. Oft finden sich ergänzend zum Text Passagen aus seinen Liedern. Wie gesagt: So poetisch (eine Bezeichnung, die ihm selbst gefällt) er in Versen sein konnte, so konsequent setzt er hier auf einen Stil, der oft an eine Reportage erinnert.

In seinem Lied „Schön ist die Jugend“ hat er seine ersten Jahre einmal beschrieben, das greift er hier auf: Die Männer im Krieg, die Frauen in dieser Zeit de facto alleinstehend. Aus dem Berufsweg als Dekorateur wird nichts. Umstände, über die man heute lachen könnte, sorgen für einen massiven Karriereeinbruch. So kunstvoll seine Lieder sein können, so wenig lässt ihr Sänger Zweifel an seiner Haltung. Das macht ihn schnell verdächtig in einer Zeit, da die RAF die Schlagzeilen beherrscht. Die Solidarität von Kollegen hilft ihm sehr in dieser Zeit. Einem davon, Reinhard Mey, hat er eben in „Schön ist die Jugend“ ein paar Zeilen gewidmet – das hatte Mey seinerseits vice versa in „Trilogie auf Frau Pohl“ getan. Die beiden, so gegensätzlich sie in ihrem Werk sind, blieben lebenslang befreundet.

Spät, aber nicht zu spät, ist Hannes Wader so gewürdigt worden, wie es Person und Werk verdienen. Mit Reinhard Mey und Konstantin Wecker ist er gemeinsam aufgetreten, hat regelmäßig weiter eigene Alben veröffentlicht. Der Zuspruch dürfte ihn mit der ihn umgebenden Wirklichkeit zumindest ein wenig versöhnen.

Hannes Wader: Trotz alledem. Mein Leben. Penguin Verlag; 28 Euro.

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