Ende November hat sich Heidi Hetzer aus Naples/Florida verabschiedet. Auf ihrer Weltreise hat sie einige mittelamerikanische Ziele wie Mexico, Kuba, Guatemala, El Salvador oder Honduras ausgelassen.
Es gab eine Menge düstere Geschichten über diese Länder, erzählte sie. Am Ende werde ich dort sogar gekidnapped, und die Bundesregierung müsste Lösegeld zahlen. Nein, das will Heidi auf gar keinen Fall. Also fährt sie erst gar nicht in diese gefährliche Gegend. Feige? Um Himmels willen: Nein. Heidi Hetzer ist alles andere als das. Im Gegenteil: Wie mutig diese Frau ist, war an den Weihnachtsfeiertagen mal wieder deutlich zu sehen: In 45-minütigen Fernsehbeiträgen von NDR und RBB.
Es war schön in Nordamerika, sagte Heidi Hetzer. Aber ich will doch nicht immer nur von vorne bis hinten verwöhnt werden.
Noch einmal ließ sie ihren Aufenthalt in Nordamerika Revue passieren. Sie hat so vieles gesehen. So viel wunderbare Natur, herrliche Städte, die Gegend: ein Traum! Sie war mit Freunden oder mit ihrer Familie zusammen, ist verwöhnt worden von vorne bis hinten. Kurz: Heidi empfand dieses Nordamerika als Luxusleben.
Aber es war nicht die Abenteuerreise, wie ich sie mir vorgestellt habe. Ich fühlte mich nicht wirklich glücklich.
Sie ist eben eine Self-Made-Woman: Nimmt die Dinge selbst in die Hand und lässt sich ungern einverleiben.
Ein paar Tage blieb sie indes noch in Miami, war unter anderem beim Deutschen General-Konsul Jürgen Borsch zum Essen eingeladen. Und auch mal wieder auf der Suche nach einer Werkstatt für Hudo. Nix Großes: nur zum Ölwechsel und Batterie aufladen. Zehn (!) Werkstätten haben sie abgewiesen und dann: Ein Glückstreffer. Vintage Motor Works machten sich die Mühe. Und das sogar kostenlos.
Anfang Dezember musste Hudo wieder in die Kiste. Er stand gefesselt in einer engen, dunklen Gruft: In einem Container der Hamburg-Süd, um mit über 4.000 Containern auf die Cap Ines aufgeladen zu werden. Am 9. Dezember sollte die Reise von Port Everglade aus losgehen in Richtung Südamerika.
Heidi Hetzer brauchte erst später auf das Container-Schiff zu kommen. In der Zwischenzeit erkundete sie mit einem Mietwagen die Gegend. Zum Glück war es kein Cabrio, denn in Miama regnete es ohne Unterlass. Selbst seit 20 Jahren hier beheimatete Einwanderer erzählten ihr, dass sie noch nie einen solchen Dauerregen erlebt hätten.
Was sollte Heidi denn noch so alles machen ohne Hudo? Naja, in einem Salon ließ sie sich mani- und pediküren, ging aus zum Essen und Trinken und lernte immer wieder neue Menschen kennen. Wie Horst, der ihr mit seinem Mercedes die Gegend zeigte. Endlich konnte auch Heidi Florida mal von der Beifahrerseite aus genießen.
Aus ihrem Hotelzimmerfenster blickte Heidi Hetzer hinaus auf eine wunderschöne Palme und sinnierte vor sich hin – das Kinn auf die Hände gestützt.
In drei Tagen würde sie das Land verlassen und mit zwei Reisetaschen an Bord der Cap Ines in See stechen. Es war der Nikolaustag – und sie schaute auf der Shooters Waterfront bei 26 Grad auf das Wasser …
Am 9. Dezember hatte Heidi Hetzer endlich alle Dokumente unterschrieben und ging um 14 Uhr an Bord. Um zwei Uhr nachts sollte das Containerschiff ablegen. Ein letztes Mal ging sie über die Fifth Avenue von Palm Beach und bekam beim Anblick auf die wunderschönen Kleider in den Schaufenstern zum ersten Mal Sehnsucht danach, selbst wieder hübsche Kleider zu tragen …
Heidi Hetzers Leben an Bord fing überhaupt nicht gut an: Beim letzten Blick zurück fiel die Kamera aus ihrer Tasche und landete genau zwischen Kaimauer und Bordwand.
Kann man die nicht wieder rausholen?
Nein, konnte man nicht, denn die Kamera lag jetzt 44 Fuß unten tief im Schlamm …
Heidi Hetzer war wütend über sich selbst. Und so fiel ihr Gegengruß an den Kapitän nicht ganz so herzlich aus. Auch ihre wunderschöne und geräumige Owner's Suite vermochte Heidi nicht versöhnlich zu stimmen.
Erst auf ihrem Lieblingsplatz, auf der Brücke des Containerschiffs, kam langsam ihre gute Laune wieder zum Vorschein. Die Cap Ines tuckerte mit 13 – 14 Knoten vorbei an Cuba, den Bahamas, an Haiti und der Dominikanischen Republik sowie an Jamaica.
Da soll keiner sagen, das Leben an Bord eines Containerschiffs sei langweilig! Heidi Hetzer versteht sich blendend mit den 22 Besatzungsmitgliedern. Außerdem steht am 18. Dezember die Äquator-Überquerung an. Diese heilige Prozedur kennt Heidi noch aus ihren Rallye-Zeiten. Aber eine richtige Aquatortaufe gibt es heute gar nicht mehr. Sie ist ein kleines bisschen enttäuscht. Es war eine ziemlich sachliche Angelegenheit. Lediglich an der großen Anzeigetafel auf der Brücke war zu sehen, dass der Kompass um Punkt 1:30 Uhr von Norden auf Süden sprang.
Dann, am 20. Dezember. Wieder ein großer Tag: Sie fuhren durch den Panama-Kanal. Die Cap Ines ist sehr schmal, damit sie durch den Kanal fahren kann. Am 31.12.1999 wurde der Panama-Kanal feierlich an den Staat Panama übergeben. Begonnen hatten die Bauarbeiten schon 1881. Aber Krankheits-Epidemien wie Malaria und politische Machtkämpfe hatten den Bau immer wieder unterbrochen. Und es wurde und wird immer wieder daran gebaut. Im Moment ist er 82 km lang und die Fahrt dauert bis zu 16 Stunden. Eine ganz erhebliche Abkürzung, denn bis zur Eröffnung mussten alle Schiffe durch die Magellan-Straße. Der Panama-Kanal ist zweispurig angelegt. Die Queen Elisabeth II passt durch, die Queen Mary II ist zu breit und kann zurzeit den Kanal noch nicht benutzen.
Es gibt nicht so viele Fotos von dieser atemberaubenden Reise durch den Panama-Kanal. Denn just am Beginn der Reise gab ihr I-Pad den Geist auf beziehungsweise signalisiert: Speicher voll. Sie lief ganz aufgeregt hin und her. Was soll sie denn jetzt nur machen? Und dabei passierte schon wieder etwas Unvorhergesehenes: Sie fiel eine steile Schiffstreppe hinunter. Ihr tat alles weh: Der Rücken, der Ellenbogen, alles.
Die Cap Ines hielt Kurs auf Cartagena/Columbien und legte dort an. Hier erfuhr Heidi, dass die Reederei angeordnet hat, am 20. Dezember Callao nicht anzusteuern, sondern erst auf der Rückfahrt. Alle für Callao bestimmten Container wurden hier in Cartagena bereits gelöscht.
Dass das Schiff am 31.12.2015 wieder in Callao sein würde, war ihr zu vage. Da braucht ja nur eine klitzekleine Kleinigkeit dazwischenzukommen – und schon ist auch dieser Zeitplan wieder nur Makulatur.
Am 23. Dezember hat Heidi es nicht mehr ausgehalten an Bord. In Guayaquil/Ecuador ging sie von Bord und fuhr mit Bussen weiter nach Cuenca und Loja und von dort weiter nach Piura. Endlich war sie in Peru!
Sie verbrachte den Heiligen Abend damit, dass sie mit dem Bus von Piura nach Lima fuhr. 16 Stunden dauerte die Fahrt durch die Pampa. Na wunderbar. Was war Heiligabend früher so schön mit der Familie in Berlin… Nun denn, das ist Vergangenheit. Jetzt ist Heidi wieder mitten im Abenteuer.
Man hatte ihr davon abgeraten, in der Stadtmitte von Lima zu wohnen. Also fuhr sie weiter an den Stadtrand nach Miraflores und fand ein ganz süßes Hostel. Am nächsten Tag fuhr sie dann doch mitten in die City in das berühmte Hotel Bolivar. Hier hatte Clärenore Stinnes gewohnt, Clärenore: Ihr großes Vorbild. Heidi blätterte im Gästebuch des Hotels, fand aber keinen Eintrag von Clärenore Stinnes. Naja, sie wird damals noch nicht so bekannt gewesen sein. Vor allem nicht in Peru.
Noch fünf Tage, dann würde sie Hudo wiedersehen. Und die Coburgerin Lilly, ihre neue Beifahrerin. Die witzige Art der Bewerbung Liliane's hat ihr sehr gut gefallen. Nicht Lilly, sondern ihr 28 Jahre alter VW Passat Leonhard hatte Hudo einen Brief geschrieben:
Frag doch mal Deine Chefin, ob meine Chefin sie nicht bis Buenos Aires begleiten darf, schrieb Leonhard an Hudo. Meine Chefin ist in Spanien geboren und lebt seit ein paar Jahren in Coburg. Sie spricht spanisch und ist von Beruf Fotografin. Sie würde am 31.12.2015 in Lima ankommen.
Das trifft sich doch prima: Heidi Hetzer hat eine spanisch sprechende Frau an ihrer Seite und Lilly kann ein Fotobuch über Südamerika erstellen. Wenn das keine tolle win-win-Situation ist!
Text: Jutta Sein
Fotos: Heidi Hetzer