25 Jahre Roadster und Faltverdecke: Rückschau auf ein Comeback

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Es war ein Sommer, der in einem offenen Verführer gefeiert werden wollte. Roadster und Spider standen 1990 nicht nur laut Marktforschungsstudien in Autofahrer-Wunschlisten weit oben, sondern sie ließen sogar Spekulantenherzen höher schlagen. Vor allem, wenn es sich um den heißbegehrten kleinen Sonnenkönig Mazda MX-5 handelte. 18 bis 24 Monate Lieferzeit waren aber auch eindeutig zu lang für diese laut Fachpresse „traumhaft schöne“ Renaissance klassischer Roadster-Freuden und so wurden für den eigentlich bezahlbaren Mazda in Anzeigen bald Aufpreise von gut einem Drittel des Kaufpreises gefordert. Ein Phänomen, das aber auch manch andere Marke für neue Open-Air-Modelle registrierte. Etwa Porsche beim rund 110.000 Mark teuren 911 Speedster, der betuchten Fans in Anzeigen scheinbar bis zu 80.000 Mark extra wert war.

Tatsächlich hatte der Cabrio-Bestand allein auf deutschen Straßen in den drei Jahren zuvor um 50 Prozent zugelegt und das sollte laut Vorhersagen der Fachwelt erst der Anfang eines globalen Booms sein. Weshalb weltweit nicht weniger als 60 Marken vom Run auf Roadster und rassige Cabriolets profitieren wollten. Dafür zündeten diese Hersteller vor einem Vierteljahrhundert ein Feuerwerk mit 25 neuen Frischluft-Versuchungen. Vom billigen Yugo Cabrio über den familientauglichen Ford Escort bis zum Ferrari 348 ts war alles dabei. Aber sogar Altstars wie der Alfa Spider wurden noch einmal frisch geschminkt.

Träume unter der Sonne, sie wurden in diesem meteorologisch eher durchschnittlichen Sommer mit und ohne Cabrio wahr, ließen sich aber mit freiem Blick zum Himmel besser genießen. Sei es der dritte WM-Titel, den die deutsche Fußball-Nationalmannschaft diesmal in Italien gewann und der mit bis dahin beispiellosen Autokorsos und einem noch nie dagewesenen friedlichen Fahnenmeer gefeiert wurde. Mit dabei auch die erst im Vorjahr eingeführten Mercedes SL der Reihe R 129, die als 500 SL schon in den privaten Garagen mehrerer WM-Helden parkten.

Sommerthema war auch die sich anbahnende deutsche Wiedervereinigung, deren wichtigster Vorbote im Juli die Währungsreform in der DDR war. Erst mit Einführung der D-Mark gab es in ganz Deutschland ein einheitliches Pkw- und damit ein Cabrio-Angebot, zu dem Ferrari ebenso zählten wie offene Trabant Tramp mit VW-Polo-Motor. Während Volvo im Juni noch überlegte, ob das spektakuläre keilförmige Klappscheinwerfercabrio 480 als zweites modernes Schweden-Cabrio nach dem Saab 900 in Serie gehen sollte, schlug der Schwede Stefan Edberg im Finale von Wimbledon zum zweiten Mal Boris Becker.

Auch zu diesem Anlass gab es kleinere Autoparaden, zumal die Skandinavier bis heute enthusiastische Cabrio- und Cruisingfans sind. Letzteres vor allem mit klassischen amerikanischen Straßenkreuzern, unter die sich nun aber auch eine Generation US-Convertibles mischte, so von Buick (Reatta), Cadillac (Allanté), Chevrolet (Beretta), Chrysler (Le Baron V6) oder Oldsmobile (Cutlass Supreme). Hatte Amerikas neue Frischluft-Generation zunächst Californias Romanze mit dem Cabrio zu neuer Leidenschaft entfacht, wollte sie jetzt auch am europäischen Open-Air-Hype teilhaben. Darauf verzichteten nicht einmal die Australier vom anderen Ende der Welt, die ihren Ford Capri mit modischen Klappscheinwerfern und Mazda-323-Technik bis nach Deutschland verkauften. Nur die Brasilianer vertrieben ihrer immerhin vier Faltverdeck-Fabrikate Engesa, Farus, Gurgel und Miura vorzugsweise auf dem Heimatmarkt.

Wer die südamerikanischen Markennamen noch nie vernommen hat, stutzt vielleicht auch bei Baur, Bitter und Isdera, drei längst vergangenen deutschen Autobauern, die vor einem Vierteljahrhundert noch großen Ruf genossen. Baur als Karossier, der BMW 3er als Topcabriolets mit festem Überrollbügel einkleidete, Bitter als exklusiver Coupé- und Cabrio-Spezialist, der Opel- und GM-Technik nutzte und Isdera als Supersportwagen-Manufaktur, die auf Mercedes-Technik setzte. Die Baur Topcabriolets – als 325ix auch mit in der offenen Fraktion außergewöhnlichem Allradantrieb – konkurrierten in den BMW-Schauräumen mit den bügelbefreiten 3ern, die es in der Saison 1990 erstmals als preisgünstige Vierzylinderversion 318i gab. Gemeinsam mit dem Saab 900 Cabrio hatten die 3er ab 1985 das Segment der familientauglichen Viersitzer ohne Überrollbügel eröffnet, seit der IAA 1989 stand mit dem Audi Cabrio der dritte Europäer dieser Klasse in den Startlöchern.

Als erster Japaner ergänzte Infiniti mit dem M30 Convertible diesen Club feiner, aber noch bezahlbarer Viersitzer. Vorläufig jedoch nur in den USA. Den Titel des weltweit schnellsten offenen Viersitzers trug weiterhin der BMW M3: In 6,9 Sekunden wurde die 100-km/h-Marke erstürmt bis bei Tempo 240 ein regelrechter Orkan Sturmhauben und Toupets auf ihre Sitzfestigkeit prüfte. Auch Porsche schickte 1990 eine „S2“-Power-Version seines 944 Cabriolets ins Rennen, das mit 155 kW/211 PS aus einem Vierzylinder-Hubraumriesen (3,0 Liter!) sogar dem 5,3-Liter-V12 im Jaguar XJ-S Cabrio davon brauste.

Neu an der Super-Sportwagenfront waren Ferrari 348 ts – allerdings nur mit herausnehmbarem Dachteil – und eine Fülle an englischen Kleinserien-Fabrikaten. Darunter als Glanzpunkte das AC Cobra Lightweight Concept, das vom 272 kW/370 PS V8 in vier Sekunden auf Tempo 100 geschossen wurde, und der aristokratisch vornehme Aston Martin Virage Volante. 440.000 Mark rief dessen Preisliste auf, gerade einmal 5.000 Mark weniger als für die teuerste aller Sonnenbänke verlangt wurde, den Rolls-Royce Corniche. Billigster Luftikus war damals übrigens mit 18.960 Mark das 3,54 Meter kurze Yugo Cabrio vom jugoslawischen Hersteller Zastava, das damit sogar knapp den Faltverdeck-Geländewagen Suzuki SJ Samurai unterbot. Zusammen mit seinen direkten Vorgänger LJ 80/SJ hatte dieser Suzuki die offenen Offroader als automobiles Kultsymbol etabliert vor Cafés und Clubs. Noch preiswerter als der kleine Yugo – in Rankings oft als schlechtestes Auto der Welt belächelt – war das in Belgien gebaute Lada Samara Cabriolet, dessen Deutschlandexport aber erst für 1991 angekündigt wurde.

Von diesen Sonderangeboten abgesehen, mussten sich Sonnenliebhaber das Offenfahren meist relativ teuer erkaufen. So kostete etwa die Neuauflage des Ford Escort Cabriolet 1.6i mindestens 34.450 Mark und damit 75 Prozent mehr als die vergleichbare Limousine. Dafür beeindruckte der offene Ford durch einen deutlich niedrigeren Verdeckberg als seine Gegner VW Golf und Opel Kadett. Gebaut wurden diese Bügelcabrios bei den Karossiers Karmann und Bertone, denen sie noch einmal ein Goldenes Zeitalter bescherten. Dies galt auch für Pininfarina, Heuliez oder American Sunroof (US-Spezialist insbesondere für japanische Modelle wie von Toyota), die sich ebenfalls auf die Öffnung von Coupés und Limousinen spezialisiert hatten.

Auch wenn Cabrios und Roadster im Sommer 1990 wieder wahre Road-Stars waren wie zuletzt in den Swinging Sixties, war dies nur der Beginn eines Revival, das erst zehn Jahre später mit der Wiederentdeckung der Coupé-Cabrios seinen Klimax erreichte.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Autodrom, Hersteller

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