Der Stationsleiter in seiner schmucken Uniform mahnt höflich aber bestimmt zur Eile. Gleich braust mit Volldampf der Express von Sheffield Park nach East Grinstead ein. Also, Ladys and Gentlemen, alles auf Gleis 1 in diese komische kleine Lok einsteigen. Die Bluebell Railway in der westenglischen Grafschaft Surrey ist eine von vielen privaten Initiativen, welche die goldene Zeit der Eisenbahnen liebevoll pflegt. Aber an diesem Tag hat sie einen besonderen Gast auf ihrem Gleis zu Besuch: der Smart Forrail. Interessierte Kunden werden diese Variante in den Prospekten allerdings vergeblich suchen. Denn dieser typische Vertreter der neuen viertürigen Generation steht nicht auf handelsüblicher Straßenbereifung, sondern auf maßgeschneiderten Eisenbahnrädern.
Wenn German Engineering auf britischen Spleen trifft, entsteht bisweilen eine völlig unerwartete Spielart der Mobilität. Zusammen mit Smart haben die Spezialisten von Interfleet, einer britischen Firma für Eisenbahn-Antriebstechnik, eine Idee ausgetüftelt, wie man einen Smart in einen voll funktionsfähigen und von den Behörden abgesegneten Zug verwandelt. Normalerweise haben die Interfleet-Ingenieure mit Diesel-Loks zu tun, die 70 Tonnen wiegen und deren Triebwerk Kraft aus 16 Litern Hubraum schöpft. Der Smart Forfour ist dagegen natürlich mit seinen knapp 1.000 Kubik und einer Tonne Gewicht geradezu ein Schienenfloh.
Schon einmal hatte der Mutterkonzern von Smart mit einem solchen Stunt Erfahrungen gesammelt. In Octopussy (1983) wechselte James Bond bei der Jagd nach einem Superbösewicht mit einem Mercedes-Benz 250 SE von der Straße auf die Schiene. Eigentlich wäre das nicht möglich gewesen, erklärt der Ingenieur. Mit einer normalen Lenkung wäre das Auto sofort aus dem Gleis gesprungen. Also wurde bei dem Forfour die Lenkung blockiert, zusätzlich wurden an den Achsen Streben angeschweißt, um jegliche mögliche Steuerung zu unterbinden. Es dauerte sechs Monate bis die Erfinder des Forrail auch einen Satz Stahlräder für den Schieneneinsatz entwickelt hatten. Mit einem Durchmesser von 22 Zoll und einem Gewicht von 80 Kilo pro Rad erhielt der Forrail auch noch zusätzliches Gewicht für den ungewohnten Untergrund.
Die Station Horsted Keynes sieht aus, als wäre man nach einer Zeitreise in den zwanziger Jahren angekommen. Wilde Rosen blühen am adretten Bahnsteig, Vintage-Koffer warten darauf, vom Dienstmann verstaut zu werden und an den Wänden hängt Werbung aus jener Epoche. Fans der britischen Adelsserie Downton Abbey würden in Horsted Keynes Downton wiedererkennen. Und, erklärt der Station Master stolz, auch der Hogwarts Express hielt hier, um Zögling Harry Potter ins Internat zu bringen.
Was der Forrail leistet, hat allerdings weniger mit Magie als mit Technik, die ihren Spieltrieb ausleben darf, zu tun. Man zündet, kuppelt und – ganz ohne Dampf und Zugpfeife – setzt sich der Forrail gemächlich in Gang. Sicherlich hätten schwäbische Ingenieure noch die eine oder andere Anregung für Dämpfung und Fahrwerk parat. Aber der Forrail ist ja gewissermaßen auch ein Prototyp. Leider kommt nach wenigen hundert Metern schon die nächste Haltestelle in Sicht. Gäste müssen dem Schienen-Smart am Bahnübergang entsteigen, denn der Perron ist fast so hoch wie das Auto selbst. Als Zukunftsmodell für einen künftigen Individualverkehr oder gar für Autonomes Fahren auf Schienen wird der Forrail wohl nicht zur Verfügung stehen. Er wird demnächst wieder straßentauglich gemacht. Aber sollte irgendwann doch ein weiter Harry-Potter-Film geplant werden, könnte er nicht statt mit der Bahn… schließlich ist er jetzt alt genug, um einen Führerschein zu besitzen.
Text: Spot Press Services/Alexandra Felts
Fotos: Daimler/SP-X