Schnäppchen oder Bumerang? Der Reifen von „Ebay“ und Co. birgt viele Risiken

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Na, liebe Leserinnen und Leser, heute schon ein Schnäppchen gemacht? Ein Schnäppchen! Wie oft nimmt jeder von uns dieses umgangssprachliche Wort wohl in den Mund, wenn er meint, ein bestimmtes Produkt besonders kostengünstig erstanden zu haben. Gibt man diesen Begriff in die Internet-Suchmaschine „Google“ ein, trifft man als Allererstes auf die Seite „Schnäppchenfuchs.de“. Und das nicht nur einmal.

Das World Wide Web also als die selig machende Fundgrube für eine Traumwelt voller gut erhaltener, leicht genutzter oder veralteter Billigprodukte? Für Gegenstände und Waren, deren Wert angeblich sehr viel höher liegt als der dafür bezahlte Preis? Oder ist doch nicht alles zusätzliches Taschengeld, was glänzt. Gibt es (unbewusste?) Risiken und Gefahren bei der Jagd als „Billigheimer?“ Deutschlands führender Winterreifen-Hersteller Continental wollte es genau wissen und machte die Probe aufs Exempel: Die Hannoveraner erstanden im Netz insgesamt 32 gebrauchte Winterpneus unterschiedlichen Alters von verschiedenen Reifen-Herstellern online auf Felgen und untersuchten diese auf Herz und Nieren. Das Ergebnis? Aber lesen Sie selbst.

Auf der virtuellen Verkaufsplattform „Ebay“ sind Reifen – vor allem in den Wochen vor dem Beginn der kalten Jahreszeit, um im Bild zu bleiben ein echter Renner. Mehr als 9,5 Millionen Angebote zu Winterreifen, das gab Continental auf seiner jährlichen Roadshow zum Thema „Winterreifen“ bekannt, gab es vergangenen Monat alleine beim bekanntesten Online-Händler. Der Hintergrund ist klar: Den meisten Anbietern wie Kauf-Interessenten geht es gleichermaßen ums liebe Geld. Die Einen möchten Dinge, die sie einst zum Neuwert-Preis erstanden haben, mit einem finanziellen Abschlag noch einmal weiter verkaufen und die Anderen möchten eben kein brandneues Produkt, sondern ein gebrauchtes erwerben. Eines, das preiswerter ist eben. Aber: heißt preiswert und gebraucht auch genau so sicher wie es der (neue) Reifen aus dem Fachhandel ist?

Die Spezialisten von Conti beantworten dieses Frage mit einem ganz klaren „Nein“. Günstige Pneus, egal ob von Ebay oder anderen Auktionsbörsen wiesen ein hohes Risiko auf. Sie seien nicht selten nicht mehr sicher genug. Das Continental-Experiment war wie folgt angelegt: Der neueste Reifen stammte aus dem Jahr 2011. Der älteste Schlappen „hatte“ satte 27 Jahre auf den armen Profilblöcken und den Flanken. Und der Gummi-Methusalem sah dabei, das sei vorweg genommen, nicht einmal schlecht aus, wie wir uns bei einer persönlichen „Inspektion“ selbst vergewissern konnten.

In der Summe ist das Ergebnis der Untersuchungen dieses Altlagers höchst bedenklich. Keiner der von den Hannoveranern gekauften Ebay-Reifen war fehlerlos. Geschweige denn, dass er den herkömmlichen Mindestanforderungen zum Thema Sicherheit entsprach. Viele Reifen trugen Merkmale aus der „Gruselkammer“ eines unterschiedlich langen Reifenlebens. Als da wären: deutliche Risse in der Lauffläche, Seitenwände, die erheblich in Aussehen und Haptik in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das größte Problem für den Käufer ist dabei; viele Reifen werden auf Felgen verkauft, der Interessent hat dabei also keinen freien Blick auf das „Innenleben“ des Objektes seiner Begierde. Und das ist mitunter schon reichlich mitgenommen. Steckt etwa ein Nagel im Reifen, so kann man das oft von außen kaum erkennen.

Schlimmer noch sind die Auswirkungen bei einem Parameter, der kaum einem Internet-Kunden zum Thema Reifen geläufig sein dürfte. Damit gehen nur echte Kenner der Materie um. Winterreifen werden nämlich mit einer speziellen kälteresistenten Mischung gefertigt, die bei neuen Produkten im Allgemeinen einen Härtegrad zwischen 58 und 63 Shore (Sh) aufweist. Auf den Punkt gebracht heißt das: Je niedriger der Wert, desto flexibler ist die Mischung und umso besser verzahnt sich der Kandidat mit dem winterlichen Untergrund. Bei den Reifen, die Continental im Internet erworben hatte, lag dieser Wet weitaus höher. Etwa bei 80 Sh. Das ist in etwa der Wert eines reichlich „abgelutschten“ Sommerreifens.

„Otto Normalverbraucher“ kennt erstens kaum diesen Wert und wenn doch, so wird er mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit kein geeignetes Messgerät besitzen, um ihn zu überprüfen. Mit den bloßen Augen erkennen, kann man den schlechten Traktions- und Grip-Wert nicht. Und wenn der Kunde sich ausschließlich von der in vielen Fällen noch ausreichend vorhandenen restlichen Profiltiefe leiten lässt, kann dies böse Folgen haben.

Was sagt Continental selbst zum Ergebnis des eigenen Experimentes? Erstens: Das vermeintliche „Schnäppchen“, mit gebrauchten Pneus kann vor Ort (Autohäuser, Reifenhandel)und nicht auf dem Sofa via Bildschirm mit gebrauchten Produkten gemacht werden. Deren Zustand wurde von Fachleuten zuvor untersucht und kann als unbedenklich und sicher eingestuft werden. Und zweitens: „Ich würde definitiv keinen dieser Reifen fahren wollen“, beurteilt Lutz Friedrich, Kundendienstmitarbeiter von Continental, das Ergebnis seiner eigenen Untersuchungen.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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