Nostalgie, im Marketing als Retro bekannt, hat Konjunktur. Paolo Tumminelli muss es wissen: Er ist Hochschullehrer für Design. Beispiele: Der VW Beetle, in der aktuellen Version sogar mit deutschem Käfer-Schriftzug am Heck zu haben, der Fiat 500, der MINI und andere aktuelle Autos sind erkennbar Reminiszenzen an frühere Zeiten. Tumminelli selbst mag das offensichtlich auch. Er fährt seit Jahrzehnten Fiat Panda.
Überall entdecken wir das Gefühl der Nostalgie. Das heißt nicht, im Lehnstuhl zu sitzen, der Vergangenheit nachzutrauern, die Gegenwart zu verpennen und sich vor der Zukunft zu ängstigen. Sondern: Die Autokarosserie vor der Haustür erinnert an unsere Kindheit, es gibt wieder Schreibmaschinen parallel zm PC, Kupferkessel und jene Wurst, die schon auf Goßmutters Abendbrottisch stand. Pur schmeckte sie arg nach Salz, mit Butter aber richtig gut. Das können wir uns jederzeit wieder aufs Brot schmieren (lassen).
An ganz verschiedenen Beispielen im Alltag macht Rettig das deutlich. Und spricht sich explizit dafür aus, die Freude an der Erinnerung getrost zu pflegen. Seine Erklärung ist einleuchtend. Diese Erinnerungen an das, was uns gut getan hat, auch wenn es Vergangenheit ist, stärkt einen, die Zukunft in Angriff zu nehmen. Das lässt sich auch historisch und psychologisch belegen.
Machen Sie einfach mal den Selbsttest: Wie viel von guten Erinnerungen findet sich in Ihrer Gegenwart? Das kann schon bei der Retro-Tasse auf Ihrem Schreibtisch beginnen. So gerät Daniel Rettigs gründliche und wunderbar anschaulich geschriebene Analyse eines Lebensgefühls nicht zuletzt zu einem Plädoyer für genau dieses Gefühl.
Daniel Rettig: Die guten alten Zeiten. Warum Nostalgie uns glücklich macht. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 14,90 Euro.