Erste Erfahrungen: Ford Focus Electric

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Ford wird in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres mit dem Focus Electric das erste rein elektrisch betriebene Fahrzeug der Marke in Deutschland auf dem Markt einführen. Wir hatten jetzt, ein gutes dreiviertel Jahr vor dem Serienstart – wobei das Wort „Serie“ in diesem Fall mit großer Vorsicht zu genießen ist – mit dem Focus Electric im öffentlichen Straßenverkehr einmal erste Bekanntschaft zu machen.

Gebaut wird der Ford Focus Electric für den europäischen Markt im saarländischen Werk in Saarlouis. Das geschieht übrigens auf den gleichen Produktionsbändern, auf denen auch die anderen Focus-Typen „Leben eingehaucht“ bekommen. Was eine nötige Flexibilität verschafft, denn noch kann man in Köln nicht prognostizieren, wie mögliche Kunden auf das neue Fahrzeug reagieren werden. Also hält man sich auch bei der Frage nach dem eventuellen Absatz noch zurück. Auf Anfrage erfolgt ein vielsagendes Achselzucken. Bei der ersten flüchtigen „Okular-Inspektion“ fällt uns nur auf, dass uns nichts auffällt. Der Focus Electric ist von außen betrachtet nämlich ein ganz normaler Ford Focus. Wären da nicht die eindeutigen Beschriftungen auf den Seiten des Fahrzeugs. Der erste „Aha“-Effekt muss also warten, bis man in das Fahrzeug einsteigt. Eine runde Klappe zwischen dem vorderen Radhaus und der Fahrertür ist beim Benziner oder beim Diesel nicht auszumachen. Sie verbirgt den Blick auf eine fünfpolige Buchse für das Ladekabel. Als Bitte: Nicht anfahren, bevor man noch „am Saft hängt“.

Kraftquelle des Ford Focus Electric sind die Lithium-Ionen-Akkus, die der Autobauer gemeinsam mit der koreanischen Firma LG Chem entwickelt und produziert. Bevor die Reise, deren mögliche Reichweite Ford derzeit mit 160 Kilometern angibt, beginnt, müsse man diese erst einmal mit elektrischer Energie aufladen. Das Akkupaket hat eine mit einer Speicherkapazität von 23 kW/h. Um es vollständig zu laden, sollte man für den „Betankungsvorgang“ an einer normalen Steckdose oder an öffentlichen Stromsteckdosen mit etwa sechs Stunden rechnen.

Zu den ersten Fahreindrücken: Auf den geräuschlosen Fahrtantritt frei nach dem Hit „Silence is Golden“ der „Four Seasons“ waren wir angesichts unserer einschlägigen Erfahrungen mit ähnlichen Derivaten auf öffentlichen Straßen vorbereitet. Das einzige, was sich akustisch bemerkbar macht, sind ein paar minimale Windgeräusche. Die klassische Tankanzeige ersetzt eine Batterie-Statusanzeige. Ein paar provozierende Eingriffe in das Lenkrad, ein paar impulsive Tritte auf das Bremspedal überzeugen uns: Hier folgt die Technik dem Willen des Fahrers genauso wie das bei Modellen mit einem Verbrennungsmotor oder einem Hybriden der Fall ist.

Den 141 PS starken Elektromotor bezieht Ford vom Zulieferer Magna. Das Aggregat beschleunigt den Focus Electric auf eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 135 km/h. Die Kraft-Übertragung besorgt ein Eingang-Automatikgetriebe, das über zwei Vorwärts-Einstellungen verfügt. In Stellung „D“ erwartet den Fahrer bei Beschleunigungs- und Bremsvorgängen keine Überraschung. In Stellung „E“ jedoch bremst der Focus Electric sehr abrupt ab. Eine Folge der Bremsenergie-Rückgewinnung (Rekuperation), die in diesem Falle in größtmöglichem Umfang einsetzt.

Angenehmer Koppeleffekt: je höher der Anteil an zurückgewonnener kinetischer Energie, umso größer auch die neu gewonnene Reichweite. Diese werden dem Fahrer auf einem Bildschirm rechts im Cockpit mitgeteilt. Sinnvollerweise füllt sich dieser dann sukzessive mit animierten Schmetterlingen. Einen Einfluss auf die Reichweite hat der Fahrer also durchaus. Da ist es ähnlich wie beim Verbrennungsmotor. Nur: So ganz traue ich den Werten, die mir da im wahrsten Sinne des Wortes „entgegen flattern“ nicht so ganz. Warum auch. Schließlich mangelt es an Referenz-Eindrücken. Die auf und davon fliegenden oder wieder „heimkommenden“ Schmetterlinge machen indes auch die Grundproblematik des Elektro-Fahrzeugs deutlich. Die Steckdose wird „im Hinterkopf“ solange mitfahren, solange die Akkus reiner Elektroautos nicht erheblich mehr Energie speichern können, als dies bisher der Fall ist. Zudem schluckt die Batterie, die unter der Rücksitzbank und im Kofferraum untergebracht ist, einen erheblichen Teil des Kofferraums. Der E-Focus muss allerdings nicht nur einen Teil seines Stauvolumens hergeben, er ist auch noch um etwa 350 Kilogramm schwerer als der normale Fünftürer. Fakt ist: Die Entwicklung von Elektroautos steht derzeit im Vergleich zu anderen alternativen Technologien oder zu Verbrennungsmotoren, die verbrauchs- und Emissions-ärmer werden, erst am Anfang.

In den USA wird der Focus Electric bereits seit einigen Monaten zu einem Preis von 39.000 Dollar angeboten. Die Finanzen werden (leider) auch bei uns noch als Bremse funktionieren, allerdings ohne Energie-Rückgewinnung. Allein die Batterie kostet über 9.000 Euro. Deswegen geht Ford auch mit den eigenen Absatz-Voraussagen noch sehr vorsichtig um. Im Prinzip muss jeder Verkehrsteilnehmer mit sich selbst ausmachen, ob er für ein Fahrzeug mit stark eingeschränkter Reichweite, das ansonsten mit allen bekannten Sicherheits- und Komfortfeatures ausgestattet ist, geschätzte 35.000 Euro ausgeben will.

Will heißen: Silence ist golden – Aber vielleicht (doch) erst einmal in der Zukunft.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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