Porsche: 30 Jahre 911 Cabrio

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Eigentlich hatte die Lebenslinie des Porsche 911 bereits ihren Endpunkt erreicht, als vor 30 Jahren überraschend ein klassisches Cabriolet dem Jahrhundertsportwagen neue Jugend schenkte. Wie ein Sonnenwind wirbelte der erste echte Frischluft-Elfer damals die Welt der Traumsportwagen durcheinander. In einer Zeit als Open-Air-Enthusiasten die letzten verbliebenen Stoffdach-Zweisitzer am liebsten unter Artenschutz gestellt hätten, wirkte der Serienanlauf des 911 SC Cabriolet als Verkündung ewigen Sommers. Vor allem aber verhinderte der Erfolg des neuen Stuttgarter Sonnenanbeters endgültig das damals bereits geplante Aus für die traditionellen Heckmotor-Porsche zugunsten neuer Frontmotortypen. Während der erste offene Elfer mit einer Vmax von 235 km/h im Jahr 1982 schnellstes Vollcabrio der Welt war, setzt der Stoffmützen-Porsche heute andere Trends. So haben die Zuffenhausener für das aktuelle 911 Cabrio eine Haube entwickelt, die erstmals den Geräuschkomfort eines Stahldachs vermitteln soll.

Quo vadis Porsche, fragten sich Fans und Fachleute, als Ende der 1970er Jahre moderne Frontmotortypen wie 924 und 928 den Heckmotor-Klassiker 911 allmählich ersetzen sollten. Noch wehrten sich Händler und Stammkunden gegen den Abschied vom Kultsportwagen mit der weltweit bekanntesten Typenzahl. Neue Carrera-Versionen und die innovative Turbotechnik schienen in jenen Jahren aber nicht mehr zu genügen, um den Zweisitzer zu einem neuen Zulassungshöhenflug zu beschleunigen und zukunftssicher zu machen. In dieser Situation übernahm der Deutsch-Amerikaner Peter W. Schutz 1981 den Vorstandsvorsitz des Unternehmens.

Schutz war leidenschaftlicher Cabrio-Fahrer und folgte der Devise „Zurück zu den Wurzeln“. Immerhin war schon der „Porsche Nr.1“ aus dem Jahr 1948 ein Roadster. Auch der endgültige Durchbruch in Nordamerika, fortan für Porsche der weltweit größte Markt, gelang erst mit dem eigens für die USA entwickelten 356 Speedster. Schließlich folgte der 1967 präsentierte 911 Targa dem amerikanischen Zeitgeist, der traditionelle Cabriolets mittlerweile als unsicher betrachtete. Ende der 1970er Jahre setzte jedoch eine Trendwende ein. Auf das befürchtete generelle Cabriolet-Verbot hatten die USA verzichtet und ein Revival der Roadster deutete sich vorsichtig an.

Für Peter W. Schutz Anlass, auf Basis des Urgesteins 911 die Studie eines Cabriolets konzipieren zu lassen. Ein Projekt, das Entwicklungsvorstand Helmuth Bott nur zu gerne realisierte unter Einsatz eines bereits von ihm vorbereiteten, aber unvollendeten Speedster-Prototypen. Auf der IAA 1981 war es soweit. Im Rampenlicht der sonst sachlich gestalteten Porsche-Präsentation stand unter Palmen ein weißglänzendes 911 Cabriolet mit Allradantrieb und Turbomotor. Die Begeisterung der Medien und Messebesucher war schier grenzenlos. Porsche konnte gar nicht mehr anders als den künftigen König aller Luftikusse zur Serienreife zu entwickeln – wenn auch ohne Allrad und Turbo.

Passgenau zu den ersten meteorologischen Frühlingsboten des Jahres 1982 debütierte deshalb auf dem Genfer Salon der 911 SC – und stahl prompt anderen noblen Premierenstars wie Maserati Biturbo, Monteverdi 5.0 oder Bentley Mulsanne die Schau. Kaum ein Promi, der nicht mit dem schnellen Sonnenstrahl aus Stuttgart fotografiert werden wollte. Ein Stoffdach-Cabrio, das völlig untypisch für die damalige Zeit der Blähdächer wie etwa beim VW Golf auch geschlossen in Bestform war. Porsche hatte für das Verdeck geprägte Stahlblechprofile eingesetzt, die sogar bei Tempo 235 formstabil blieben und gleichzeitig einen Überrollschutz gewährleisteten. Nur die amerikanischen Porsche-Kunden waren noch nicht ganz zufrieden: Ähnlich wie beim Rolls-Royce Corniche schien ihnen eine elektrische Verdeckbetätigung unverzichtbar. Porsche hörte den Ruf und rüstete schnell nach. In damals rekordverdächtig schnellen 20 Sekunden konnte die Kapuze nun auf Knopfdruck geöffnet oder geschlossen werden.

Pro Jahr bis zu 7.000 Käufer orderten fortan das kostspielige Cabrio – Zulassungen, die übrigens kaum zulasten des Targa gingen. 170 kW/239 PS reichten zwar für ein Abo auf die linke Autobahnspur. Wem diese Leistung noch nicht genügte, konnte das Cabrio ab 1984 optisch schneller machen durch die optional bestellbare Turbo-Optik. Drei Jahre später war endlich auch der Turbomotor im schnellsten deutschen Frischluft-Racer zu haben. Damit nicht genug. Die IAA 1987 revitalisierte die Idee des Porsche Speedster, jetzt auf Basis des 911.

Neben dem regulären Speedster wurde auch eine spektakulär gezeichnete Club-Sport-Version vorgestellt, die gänzlich auf die Frontscheibe verzichtete und den Beifahrersitz unter einer Abdeckung versteckte. Die Freude an der wiederentdeckten Freiheit unter Sonnenhimmel oder Sternenzelt war inzwischen grenzenlos geworden. Der Sturm an erschwinglichen Roadstern, den Mazda ab 1989 mit dem MX-5 entfachte, war zuvor von Porsche bei den Supercars initiiert worden. Kaum eine Prestigemarke, die nun nicht mehr der Sonne nah sein wollte.

Die nächste Verjüngung erfuhr der 911 im Jahr 1989 mit Einführung des Typs 964, bei dem erstmals Helfer wie Allradantrieb zum Einsatz kamen, vor allem aber ein neu entwickelter 3,6-Liter-Boxer-Motor mit Leistungswerten ab 184 kW/250 PS. Vier Jahre dauerte es, dann galt wieder der Porsche-Werbespruch: „Über sich den Himmel, vor sich die Straße, unter sich den Speedster. Was wollen Sie mehr?“ Die Kundschaft wollte mehr und verlangte nach einem Speedster im breiten Karosseriekleid des Turbo, von dem Porsche daraufhin 930 Exemplare auflegte. Als der letzte dieser Speedster vom Band gelaufen war, hatte es bereits die nächste Wachablösung gegeben. Die ersten Coupés der neuen Baureihe 993 waren im Herbst 1993 bei den Händlern eingetroffen. Auffällige Kotflügelverbreiterungen, flache Scheinwerfer und eine neue Fünflenker-Hinterachse waren Features, die ab Frühjahr 1994 natürlich auch dem Cabrio zugute kamen.

Das war nichts gegen die Revolution, die 1997 einsetzte und im folgenden Frühjahr auch das 2+2-sitzige Cabrio erreichte: Mit der Baureihe 996 wurden die Boxermotoren auf Wasserkühlung umgestellt. Die Fans akzeptierten es wider Erwarten, schließlich hob Porsche mit dieser Elfer-Generation zu einem neuen Höhenflug ab. Derweil faltete sich das Stoffverdeck erstmals z-förmig zusammen und versteckte sich unter einer Metallmütze hinter den Notsitzen. Neu war dazu der Carrera 4 mit Allradantrieb für mehr Traktion. Wenn er inzwischen auch nicht mehr der schnellste aller offenen Supersportwagen ist, glänzt der Elfer mit anderen Talenten. So erreicht er außergewöhnlich hohe Kilometerleistungen bei Vielfahrern, die im Geschäftsalltag nicht auf einen Racer verzichten wollen. Wer es eilig hat bei der Suche nach einem Platz in der Sonne kann seit dem neuen Jahrtausend das Verdeck des 911 während der Fahrt bis Tempo 50 öffnen. Für mehr Sicherheit sorgen dagegen automatisch ausfahrende Überrollbügel.

Ab 2008 hielt bei allen 911 eine Motorengeneration mit Direkteinspritzung Einzug. Rund zehn Grundtypen umfasste die Cabrio-Modellpalette jetzt, die vom Carrera über Sondermodelle bis zum Turbo S reichte. Die Einstiegsversion kostete zwar erstmals über 100.000 Euro, dennoch erreichte die Verbreitung des Traumsportlers neue Traumwerte. So freuten sich die Zuffenhausener über insgesamt 80.000 verkaufte 911 Cabriolets als im vergangenen März der vorerst letzte Modellwechsel anstand. In einem Punkt unterscheidet sich das 911 Cabrio aber auch künftig nicht von Coupé oder Targa: Ein Elfer altert nicht, er reift nur. Zum Leidwesen aller Autoverwerter.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Porsche, SPS

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