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Es war ein Schicksalsjahr für den VW-Konzern. Für die Wolfsburger Heckmotormodelle war 1972 die Zeit der Götterdämmerung gekommen während die bayerische Tochtermarke das Jahr der olympischen Spiele in München zur bis dahin wichtigsten Premierengala im Zeichen der vier Ringe nutzte. Der neue Audi 80 ließ etablierte Konkurrenten wie Ford Taunus, Opel Ascona oder Fiat 124 schlagartig alt aussehen und schickte die Ingolstädter in der Mittelklasse auf die Überholspur. Endgültig ins Hintertreffen gerieten antriebstechnisch antiquierte VW-Modelle wie die Typen 1600 und 411/412. Neuen Wind im Wolfsburger Mittelfeld entfachen konnte erst der Passat von 1973 – als Schwestermodell des Audi 80. Auch der Käfer mutierte damals vom Jäger zum Gejagten, bis er schließlich vom Golf mit Audi-Antrieb in den Ruhestand geschickt wurde. Tatsächlich war es der moderne OHC-Vierzylinder aus dem Audi 80, der in den neuen VW-Modellen für Vortrieb sorgte. Schließlich wurde dieses Triebwerk zum meistgebauten Aggregat des VW-Konzerns. Auch der Audi 80 selbst wurde ein Verkaufsschlager für Volkswagen. Innerhalb von sechs Jahren wurden von der Baureihe weltweit über eine Million Einheiten abgesetzt, dann machte die nächste Audi-80-Generation alles noch besser.

Er war Nachfolger der stattlichen, aber konservativen Typenfamilie Audi 60 bis Super 90. Obwohl mit nur 4,18 Meter Länge äußerst kompakt dimensioniert, sollte der Audi 80 in der Mittelklasse aber auch fortsetzen, was der große Audi 100 eine Klasse darüber begonnen hatte – die Marke im Zeichen der Ringe auf einen anhaltenden Höhenflug schicken. „Vorsprung durch Technik“ war zwar damals noch ein Werbespruch für den NSU Ro 80, aber auch der Typ 80 von Audi-Chefkonstrukteur Ludwig Kraus wollte der Konkurrenz vorausfahren. Möglich machen sollten das neu entwickelte Vierzylinder mit Zahnriemenantrieb für die Nockenwelle, eine Leichtbaukonstruktion mit nur 800 Kilogramm Leergewicht, der erste Frontantrieb mit negativem Lenkrollradius, um die für den Fahrer spürbaren Antriebseinflüsse zu reduzieren, und eine Verbundlenkerhinterachse, die den noch verbreiteten Starrachsen in Fahreigenschaften und Federungskomfort weit überlegen war. Das alles wurde verpackt in zwei- und viertürige Karosserien mit sachlich klaren Linien. Diese differenzierten sich deutlich vom Blechbarock des Ford Taunus, der schrägen Schrulligkeit des Renault 12, der bereits betagten Kastenform des Fiat 124 oder der aerodynamischen Exzentrik des Citroën GS. Ins Abseits schicken konnte der neue Audi die etablierten, preiswerteren Konkurrenten zwar nicht, aber seine Tagesproduktion überstieg mit fast 1.200 Einheiten sogar die Erwartungen der Konzernführung. Gefertigt wurde der Audi 80 übrigens nicht nur in Ingolstadt, sondern auch in Wolfsburg, wo er für neue Auslastung des Werks sorgte und die Einführung des Passat vorbereitete. Ein VW-Modell, das laut Ludwig Kraus zu 90 Prozent aus Teilen des Audi 80 bestand. Erste Hinweise auf das Passat-typische Schrägheck und das VW-Logo gab übrigens bereits eine Audi-80-Studie aus dem Dezember 1971.

Kurz vor der Premiere des Passat demonstrierte der Audi noch einmal nachdrücklich seinen technologischen Führungsanspruch in der Mittelklasse. Kein Vergleichstest, in dem der Ingolstädter Neuling nicht siegte. Auch den damals wichtigsten Medienpreis, die Wahl zum Auto des Jahres 1972, gewann der Audi 80 souverän. Zunächst bestand die Motorenpalette aus drei Leistungsstufen mit 40 kW/55 PS, 55 kW/75 PS und 63 kW/85 PS. Bereits das Audi-80-Basismodell entwickelte so lebhafte Fahrleistungen, dass die zurückhaltenden Werksangaben in Testberichten deutlich übertroffen wurden und die Konkurrenten schwer Anschluss fanden. Der Leichtbau machte es möglich. Mit einer Vmax von 151 km/h war der 55-PS-Audi kaum langsamer als ein 63 kW/85 PS leistender BMW 1602. Chancenlos blieb der BMW dagegen gegen den nominell gleich starken Audi 80 GL. So viel Temperament wusste auch die Polizei zu schätzen: Von nun an zählte das Behördengeschäft zu den Domänen von Audi. Prominentester Audi 80 im Polizeieinsatz war übrigens der Dienstwagen von TV-Tatort-Kommissar Haferkamp.

Härtester Rivale im Leistungswettbewerb wurde für den Audi 80 jedoch der fast baugleiche VW Passat. Von diesem distanzierten sich die Ingolstädter erst wieder durch den Audi 80 GT als sportliches Aushängeschild. Vorgestellt wurde der zweitürige GT auf der IAA 1973, der großen Sportschau unmittelbar vor der ersten Ölkrise. Kriegsbemalung und Leistungssteigerung waren damals obligatorisch für alle, die nach Image strebten. Auf Spoiler und Spiegelschrift wie etwa der BMW Turbo verzichtete der Audi 80 GT zwar, eine mattschwarz lackierte Motorhaube und die Doppelvergaseranlage mussten aber sein. 74 kW/100 PS leistete der 1,6-Liter-Motor nach dem Feintuning. Genug für Tempo 175 und einen prestigeträchtigen Vorsprung gegenüber dem BMW 2002, dem damaligen Maßstab unter den Sportlimousinen. Zusätzlich zeigte der italienische Stardesigner Giugiaro die spektakulär gezeichnete kantige Coupéstudie „Asso di picche“. Der Audi 80 als Pik-As stach damals allerdings noch nicht, bis zum ersten kompakten Audi Coupé sollte es noch sieben Jahre dauern. Dafür überstand der Audi 80 die automobile Rezession während der Energiekrise dank der sparsamen neuen Motorengeneration ohne allzu heftige Verkaufseinbrüche.

Zwei Jahre später erinnerte nur noch die Umstellung der Motoren auf preiswertes Normalbenzin an die zurückliegende Zeit der Kraftstoffverknappung, ansonsten war maximale Leistung gefragter denn je. So feierte auf der IAA 1975 die jüngste Ausbaustufe des Audi-Triebwerks mit dem Kennbuchstaben ZA Premiere: Ein 1,6-Liter-Einspritzer mit 81 kW/110 PS, der gleichzeitig im Audi 80 GTE und im VW Golf GTI eingesetzt wurde. Ein Jahr später erneuerten die Ingolstädter den Audi 100 und glichen den kleineren Typ 80 optisch dem neuen Flaggschiff an. Auffällige Breitbandscheinwerfer, ein größerer Grill, breitere Zierleisten und voluminöse Rückleuchten sollten den Audi 80 mit dem internen Code 82 aufwerten. Erfolgreich, wie anhaltend gute Verkaufszahlen auch in Nordamerika belegten. Dort genoss der Ingolstädter als Kombi – bis auf den Grill baugleich mit dem Passat Variant – und unter der Bezeichnung Fox besonders bei Frauen große Beliebtheit. “The best affordable small sedan in the world“ lobten die Medien den Audi Fox und tatsächlich ließ der erschwingliche, flinke Fuchs die Meute der Verfolger in den Verkaufszahlen kurzzeitig hinter sich.

Der Beste war der Audi dennoch nicht. Zumindest nicht, was die Rostresistenz betrifft. Wie die meisten seiner Zeitgenossen wurde der Audi 80 vom rostbraunen Tod fast immer vorzeitig dahingerafft. Einen noch eindrucksvolleren Produktionsrekord verhinderte dagegen vielleicht die Verwandtschaft zum Passat. Aber auch so rollten bis Juli 1978 insgesamt 1,1 Millionen Einheiten von Audi 80 und Audi Fox vom Band, davon stammten über 900.000 Einheiten aus Ingolstadt. Erst dann zeigte sich der Begründer des Baukastensystems im VW-Konzern in gänzlich neuem Gewand, Verwechslungen mit dem Passat waren fortan ausgeschlossen.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Audi

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