Test-Tour: Toyota Hilux

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Wollte man die Anatomie eines Erfolgreichen verfassen, müsste im vorliegenden Fall etwa geschrieben stehen: Die Pickup-Historie bei Toyota währt bereits 45 Jahre. Sie ist eine Erfolgsgeschichte und zugleich Selbstverpflichtung, etwas Gutes in kleinen Schritten immer noch besser zu machen.Das Ergebnis steht nun vor uns. Ganz in unschuldigem Weiß, gerundet und trotzdem mit markanter Linie. Die imposante Double Cab hinterlässt beim Betrachter den Eindruck, einen kleinen Schulbus vor sich zu haben, zumal der Fünf-Personen-Kabine noch eine ordentliche Ladefläche folgt (erste Vorstellung des neuen Hilux unter www.kues.de am 03.01.2012). Da stehen also 2 Tonnen Leergewicht auf 17-Zöllern hoch in den Himmel. Da zieht man irgendwo den Hut und ist irgendwie an den US-amerikanischen Begriff für diese Fahrzeuggattung Light Trucks erinnert. Das hat schon was.

Neben der Basis-Motorisierung mittels eines vierzylindrigen 2,5 Liter Turbodiesels hat Toyota, Marktwünschen entsprechend, auch einen 3-Liter-Vierzylinder im Angebot. Und den hatten wir mitsamt seinen 171 Pferdestärken, die via manuellem 5-Gang-Getriebe (mit zuschaltbarem Allrad und Geländereduktion) auf alle Viere losgelassen werden. Mit knapp 400 Newtonmetern, die sich erstaunlich zivilisiert handhaben lassen und es zulassen, locker lange Autobahnsteigungen ohne Geschwindigkeitsverlust platt zu machen. Auch eine 5-Gang-Automatik wird angeboten. Vier ordentlich breite Portaltüren erlauben den unerschrockenen Zutritt in ein Pkw-ähnliches Wohnzimmer, das (in unserem Testwagen optional) mit feinem Leder ausgeschlagen ist. Wohl aus gut gemeinten Gründen zwecks Fotoaufnahmen hatte man dem Hilux eine 17-Zoll-Räder-Reifenkombination verschrieben. Toyota bietet den Hilux aber auch noch mit 15- oder 16-Zoll-Fahrwerk an. Die größten Räder aber, so zeigte sich, nehmen dem urigen und kräftigen Triebwerk etwas den Pep, lassen ihn nur etwas gemächlicher in die Puschen kommen. Aber auch der Partikelfilter, der die Zertifizierung in die Euro 5 genehmigt, ist daran mit beteiligt. Dem Endkunden, der Last und Ladung transportieren muss, werden hiermit die kleineren Rädergrößen empfohlen. Nach dem Start des Kraftwerks vollziehen sich die ersten 400 Meter etwas geräuschvoll und verbreiten sympathischen, unaufgeregten Diesel-Charakter der klassischen Art. Dann beruhigt sich die Verbrennungsszene, der Selbstzünder schnurrt sanft, aber nicht störend vernehmbar, macht seinen Job, was immer man von ihm verlangt. Das urige Drehmoment beruhigt Fahrer und Fahrstil. Und die relativ lang übersetzten Gänge (was Toyota sich bei diesem Drehmoment erlauben kann) ermöglichen auf dem Highway, bei geruhsamen 2.000 Kurbelwellenrotationen mit 120 km/h dahin zu cruisen. Dabei haben wir, konsequent über 300 Kilometer durchgezogen, einen fast unglaublichen Durchschnittsverbrauch erwirtschaftet: 7,27 Liter! Das relativiert sich natürlich bei den alltäglich gemischten Bedingungen. Unser Durchschnittsverbrauch lag nach Ende der Test- und Messfahrten bei 9,8 Litern Leichtöl.

Nochmals zurück ins Wohnzimmer: Da haben die Ingenieure und Designer ganze Arbeit geleistet, denn alle Hebel, Tasten, Schalter und Knöpfe liegen in richtiger Reihenfolge gut zur Hand. Nur etwas mehr Seitenhalt dürften die Front-Fauteuils aufweisen, gerade in eng-kurvigen Bereichen und im groben Gelände, gleich ob in Baustellen oder beim Offroaden.

Mit leerer, leichter Ladefläche, so das System der hinteren Starrachsaufhängung an Blattfedern, geht es naturgemäß leicht wellig, aber kaum störend, dahin. Das ändert sich dann zugunsten einer immer höflicheren Fahrkultur, wenn 3-4 Insassen in der Kabine sitzen oder ab 200 Kilo Gewicht auf der offenen Pritsche verzurrt sind: Pkw-mäßiger Komfort mit nicht unsympathischer Direktheit liiert.

Freundlicher Appell an die Lenkungsexperten bei Toyota: Der Wendekreisdurchmesser ist zwar auf Großparkplätzen duldbar, weniger aber auf Baustellen und Hinterhöfen. Da sollte noch um einen guten Meter reduziert werden, um dem Berufsmann, trotz ausgezeichneter Lenkservo-Unterstützung, nicht noch Mehrarbeit aufzubürden. Und der schweren Heckklappe zur Ladefläche dürfte man auch noch einige Kilo Gewicht abtrainieren, da die glatte und massive Klappe flugs der hebenden, auch mal feuchten Hand zu entgleiten droht. Die Mädels, die solche Pickups unheimlich gerne fahren, mögen soviel Gewicht nicht. Warum gibt es eigentlich keinen Scheibenwischer für die, wenngleich steile Heckscheibe? Damit wären wir bei den echten Zielgruppen: natürlich der selbständige Handwerker, natürlich der Lifestyle- Aktivist, natürlich der Sportsmann mit seinem Equipment, natürlich der Waidmann, der Heger und Pfleger im Wald und natürlich der Freund des anspruchsvollen Offroad-Fahrens. Die Bodenfreiheit ist mustergültig, die gesamte Robustheit, die man stets und überall spürt, ebenfalls. Unser Weißer Riese, so wurde der Hilux von Nachbar's Kindern tituliert, sorgte allenthalben für staunende Neugier. Und jedes Mal, wenn wir ihn enterten, übertrug sich das Gefühl grenzenloser Solidität auf uns. Die wenigen Kleinigkeiten sind sicherlich für Toyota kein Problem, um darüber gelegentlich mal nachzudenken. Und vielleicht spendiert man ihm irgendwann einen 6-Zylinder mit 6 Gängen, um allfälliger Konkurrenz Paroli bieten zu können: muss nicht, kann aber.

Bilanz: Wir gaben den Testwagen tatsächlich nur sehr ungern zurück.

Text und Fotos: Frank Nüssel/CineMot

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