Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
Ein zwar schon reichlich abgegriffenes, aber dennoch immer wieder gern zitiertes Sprichwort sagt: „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.“ Womit gesagt werden soll: Diese Bilanzen, Statistiken, Zahlenwerke und Vergleiche sind mit Vorsicht zu genießen. Der Wahrheitsgehalt dieser Elaborate lässt sich nicht immer erschließen. Interessant und zumindest einen Blick darauf wert aber sind in der Regel Beispiele, die von sogenannten seriösen Absendern kommen. Deutschlands größter Automobilclub, der ADAC, ist bei derlei Veröffentlichungen immer mit an vorderster Front dabei.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch einmal aus einer Mail zitieren, die von der ADAC-Pressestelle in dieser Woche auf den Tisch kam. Es geht dabei um die Staubilanz des Jahres 2011. Mit Staus kennen wir alle, die wir persönlich mobil sind, uns reichhaltiger aus, als uns lieb ist. Welchen Beitrag wir jedoch im Laufe von 365 Tagen (in diesem Jahr sind es dank des Schaltjahres sogar 366) zur Gesamtbilanz leisten, darüber haben sich wohl die wenigsten von uns Gedanken gemacht. Ich, das gebe ich gerne zu, bisher noch nicht. Vielleicht ist man auch deshalb von der Wucht der Zahlen im ersten Moment etwas erschlagen.
Deshalb zitiere ich jetzt erst einmal: „Nach Auswertung der ADAC-Staubilanz 2011 ereigneten sich auf den deutschen Autobahnen Staus mit einer Gesamtdauer von 185.000 Stunden. Insgesamt standen die Räder der Autofahrer damit rund 21 Jahre still. Die sinnlose Wartezeit wurde in Staus auf einer Gesamtlänge von 450.000 Kilometern verbracht.“
Diese Bilanz, so lässt der ADAC weiter verlauten, sei „ein Beleg dafür, dass das deutsche Autobahnnetz massiv an seine Grenzen stößt und dringend an besonders staubelasteten Abschnitten erweitert werden muss.“ Eine Forderung, der die meisten von uns wohl gerne unsere Zustimmung verleihen. Nur: Wer erstens soll die Ausweitung der ultraschnellen und bequemen Asphaltpisten bezahlen? Von den 2.200 Kilometer Autobahn, die laut Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen im Zeitraum 2001 bis 2015 vordringlich auszubauen seien, hätten laut ADAC bislang lediglich 35 Prozent realisiert werden können. Okay, da fehlen noch ein paar Kilometer, denn 2015 ist schneller da, als wir alle glauben.
Spitzenreiter in der „Stau-Hitparade“ ist übrigens die A5 Darmstadt – Basel, auf der der Verkehr im Jahr 2011 rund 8.300 Stunden stillstand. Die A8 Karlsruhe – München – Salzburg war „Jahrgangsbester“ in punkto Staulänge mit 31.000 Kilometern. Allein vom östlichen Bereich der A8 zwischen München und Salzburg wurden 20 Staus mit einer Länge von 30 Kilometern und mehr gemeldet.
Von zähfließendem oder ganz zum Erliegen kommendem Verkehr besonders geplagt ist demzufolge Nordrhein-Westfalen. Die im bevölkerungsreichsten Bundesland gezählten Staus ergaben eine Länge von 139.000 Kilometern, das entspricht knapp einem Drittel der Gesamtstaulänge. Weitgehend ungeschoren kamen dagegen die fünf östlichen Bundesländer davon; auf sie entfielen gerade einmal sechs Prozent der Staukilometer.
Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Nachprüfen werden wir das alle nicht können, was da an Zahlen auf uns herein und herunter prasselt. Wer aber von uns viel mit dem Auto auf langen Strecken unterwegs ist, der wird sich denken: „Aha, hab’ ich doch schon immer gewusst, dass das so schlimm ist.“ Würde man jetzt noch zu ermitteln versuchen, wie viel Kraftstoff (sprich Energie) und Schadstoffe beim Stehen auf der Autobahn ohne jegliche Effektivität vergeudet und in die Luft geblasen werden, dann würde sich diese Schreckensbilanz mit Sicherheit noch erhöhen.
Doch egal, wie auch diese Untersuchung ausgehen mag: Sie wissen schon, wir glauben ohnehin nur der Statistik, die wir selbst gefälscht haben.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames und staufreies Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun